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Fundstücke

Brasiliens unblutiger Putsch von 2016

Jürgen Klute
Theologe, Publizist und Politiker
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Jürgen KluteSamstag, 07.11.2020

Dieses Fundstück dürfte vor allem Leserinnen und Leser interessieren, die die politische Entwicklung in Lateinamerika und besonders in Brasilien verfolgen.

Es ist ein Fundstück im zweifachen Sinne: Ein heute in Brasilien lebender Freund und ehemaliger Abgeordnetenkollege aus dem Europäischen Parlament hatte diesen Text auf Facebook gepostet. Ich bin tatsächlich zufällig darauf gestoßen. Zum anderen handelt es sich um eine deutschsprachige Besprechung eines Memoiren-Bandes des ehemaligen brasilianischen Vize-Präsidenten und kurzfristigen Interims-Präsidenten Michel Temer, gegen den mittlerweile strafrechtliche Ermittlungen wegen Korruption laufen. Dieser in portugiesischer Sprache verfasste Memoirenband, der von Temers Freund, dem Philosophieprofessor Denis Lerrer Rosenfield veröffentlicht wurde, findet normalerweise nicht den Weg auf den deutschsprachigen Buchmarkt.

Was macht diesen Band bzw. dessen Besprechung nun interessant? Temer, der der politisch diffusen Partei PMDB (Partido do Movimento Democrático Brasileiro) angehört, war von 2011 bis 2016 Vizepräsident unter der linken Präsidentin Dilma Rousseff (PT – Partido dos Trabalhadores / Partei der Arbeiter), die in einem fragwürdigen Verfahren und mittels vager Vorwürfe, die mittlerweile gerichtlich entkräftet wurden, 2016 ihres Amtes enthoben wurde. Temer wurde Nachfolger von Rousseff. Ihm folgte 2018 der jetzige rechtsextreme Präsident Jair Bolsonaro.

In dem Memoirenband, der den Titel war 2016 "A Escolha, Como um Presidente Conseguiu Superar Grave Crise e Apresentar uma Agenda Para o Brasil" (deutsch in etwa: "Die Entscheidung. Wie es einem Präsidenten gelang, die schwere Krise zu überwinden und ein Programm für Brasilien zu entwerfen") trägt und als Gespräch zwischen Temer und dem Herausgeber Rosenfield konzipiert ist, erzählt Temer offen, wie er die Amtsenthebung von Dilma Rousseff betrieben und sich gleichzeitig die Rückendeckung des Brasilianischen Militärs gesichert hat. Vor allem diesen Teil des Buches stellt Mario Schenk in seinem Artikel auf dem Portal „Amerika 21 – Nachrichten und Analysen aus Lateinamerika“ vor, ordnet ihn politisch ein und erläutert die Hintergründe, die dazu führten, dass das brasilianische Militär sich auf diesen Pakt mit Temer eingelassen hat.

Weshalb macht Temer diese Hintergründe offen? Auch darauf gibt der Beitrag von Mario Schenk eine Antwort.

Für Beobachter war 2016 erkennbar, dass die Amtsenthebung von Dilma Rousseff Ergebnis einer missbräuchlichen Anwendung von Verfahrensregeln war. Man kann diese Amtsenthebung auch als unblutigen (Militär)Putsch interpretieren. Der Memoirenband von Temer und seinem Freund Rosenfield bestätigt diese Interpretation als zutreffend.

Dieser Memoiren-Band bzw. dessen Besprechung, die den Inhalt des Bandes einer deutschsprachigen Leserschaft erschießt, ist noch im Blick auf einen weiteren Fall relevant. Mitte 2012 wurde der damalige Mitte-links-Präsident von Paraguay, Fernando Lugo, ebenfalls durch ein mehr als fragwürdiges Amtsenthebungsverfahren abgesetzt. Als MdEP hatte ich damals die Möglichkeit, an einer von mir mit initiierten Delegation des Europäischen Parlaments teilzunehmen, die sich vor Ort ein Bild von dem Amtsenthebungsverfahren gemacht hat. Nach Abschluss der Delegation konnte man den Eindruck haben, dass nach Jahren der Toleranz einiger Mitte-links-Regierung in Lateinamerika nun eine Gegenbewegung einsetzte, die darauf zielte, vorerst mit unblutigen und scheinbar demokratischen Mitteln diese Regierungen aus dem Amt zu vertreiben.

Die Amtsenthebung von Dilma Rousseff erfolgte im Kern nach dem gleichen Muster wie die von Fernando Lugo. Die Memoiren von Michel Temer bekräftigen jetzt den Verdacht, dass es sich hier um ein neues Muster eines Staatsstreichs handelt, der – anders als etwa 1973 in Chile – unblutig ist und der sich den Anschein gibt, rechtsstaatlich und demokratisch zu sein und der daher sehr viel schwerer zu skandalisieren ist als der Putsch gegen Allende 1973.

Dieses Fundstück sollte allerdings nicht nur die Aufmerksamkeit von Lateinamerika-Interessierten auf sich ziehen. Diese Art von Putsch in Brasilien führt sehr anschaulich vor Augen, wie wichtig die öffentliche Kontrolle der Organe ist, die das staatliche Machtmonopol ausüben. Sowohl im Blick auf die Polizei als auch im Blick auf die Bundeswehr haben wir diese Debatte angesichts rechter Netzwerke in beiden staatlichen Organen seit einiger Zeit auch in der Bundesrepublik.

Brasiliens unblutiger Putsch von 2016

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