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Flucht und Einwanderung

Gestern & Heute: Was sich in der Fleischindustrie zeigt, sind keine Missstände, sondern das System

Achim Engelberg
Dr. phil.
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Achim EngelbergFreitag, 19.06.2020
Im Interview berichtet der katholische Pfarrer Peter Kossen, der sich seit Jahren für die Rechte von Arbeitsmigranten in der Fleischindustrie einsetzt, von modernen Formen der Sklaverei — mitten in Deutschland.


Es erschien bevor ein neuer Corona-Ausbruch in der deutschen Fleischindustrie öffentlich wurde. Darin heißt es:

Mein Bruder ist Mediziner und der beschreibt mir immer wieder aus seiner Dorfarztpraxis, dass jeden Tag Menschen aus der Fleischindustrie bei ihm Patientinnen und Patienten sind. Er ist sonst ein ganz Ruhiger, aber er wird regelmäßig wütend, er kann dann kaum die Sätze zu Ende sprechen, wenn er beschreibt, was die Lebens- und Arbeitssituation mit diesen Menschen macht. Die Härte der Arbeit, die gesundheitsgefährdende Unterbringung in diesen Wohnungen und auch die Unmöglichkeit, sich zu regenerieren. Er beschreibt das mit dem Begriff der Totalerschöpfung, aber auch mit dem Verschleiß von Menschen. In dem Versuch, das zu beschreiben, was da für ganz viele Menschen die Wirklichkeit ist, ist mir der Begriff des »Wegwerfmenschen« gekommen, der ja zynisch ist, aber den ich leider in diesem Zusammenhang für sehr treffend halte.

Wer glaubt, dass das Fehler sind, die gemacht wurden im rauer werdenden Wind der letzten Jahrzehnte, irrt.

Was selbstverständlich nicht gegen Erleichterungen und Verbesserungen spricht, die sofort ermöglicht werden können.

Es bleibt aber: Wer denkt, es sind einige "Raubmenschkapitalisten" wie Clemens Tönnies, täuscht sich.

Das zeigt auch ein alter Text: Wer DSCHUNGEL von Upton Sinclair liest, ein Bestseller von 1905/06, der zum Klassiker avancierte, erkennt die Muster.

Schon Bertolt Brecht war von diesem dokumentarischen Roman fasziniert und nutzte ihn für einige seiner Stücke wie DIE HEILIGE JOHANNA DER SCHLACHTHÖFE. In den 1960er Jahre sahen Vertreter des New Journalism in Sinclair ein Vorbild.

Hier zeigt ein neueres, aber vor Corona erschienenes Stück die Aktualität des Romans. Die eindrucksvollen Fotos der Chicagoer Schlachthöfe von Anfang bis Mitte des 20. Jahrhunderts zeigen, wie sich die Technik seitdem entwickelte, die Strukturen blieben erstaunlich gleich.

Mit der Zeit aber durchschaut Jurgis (die litauische, also aus dem Zarenreich in die USA ausgewanderte Zentralfigur, A. E.) das kapitalistische survival of the fittest, das in den Yards in geradezu idealtypischer Weise zu beobachten ist: „Er hatte jetzt erkannt, wie es um ihn her zuging: Krieg aller gegen alle, und den letzten beißen die Hunde“, heißt es im Roman; der Fleisch-Trust sei „die Verkörperung blinder, gefühlloser Habgier“ und „ein mit tausend Rachen schlingendes, mit tausend Hufen stampfendes Ungeheuer – der inkarnierte Geist des Kapitalismus.“ Der Umgang der Menschen miteinander ist an diesem Ort besonders roh: „Um hier im Schlachthofviertel eingeschlagene Schädel wird wenig Aufhebens gemacht, denn Männern, die tagaus, tagein Tieren den Schädel einschlagen, scheint das zu einer Gewohnheit zu werden, die sie zwischendurch auch an ihren Freunden und manchmal sogar an ihren Familien praktizieren.“

Schon vor Corona gab es Berichte über Missstände, einige davon werden verlinkt und zitiert. So brachte die Süddeutsche Zeitung 2013 diesen Artikel, der so angekündigt wird:

Was sich in Schlachthöfen abspielt, ist für viele Kritiker mehr als Ausbeutung. Die Rede ist von Menschenhandel und organisierter Kriminalität.

Die Virusausbrüche rund um die Schlachthöfe wirken als Vergrößerungsglas.

Wer wie viele billig Fleisch kaufen will, braucht Fleischkonzerne, die Arbeitsmigranten ausbeuten.

Gestern & Heute: Was sich in der Fleischindustrie zeigt, sind keine Missstände, sondern das System

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Kommentare 2
  1. Du Irrelevant
    Du Irrelevant · vor fast 4 Jahre

    Der x-te Skandal dieser Branche, die sich weder um Tier- noch Menschenwohl schert. Wie viele es wohl noch braucht, bis sich was ändert?
    Wahrscheinlich wird es zumindest (unbewusst?) zu einem weiteren Rückgang des Fleischkonsums führen...

    1. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor fast 4 Jahre

      Kleine Verbesserungen sind möglich und werden wohl auch gemacht. Für grundsätzliche Änderungen bedarf es einen langen Kampfs. Bis es keine bewussten Änderungen im Verhältnis Mensch - Tier gibt, wird es immer wieder zu Skandalen kommen, die nur kleine Spitzen des großen Eisberges sind.

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