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Flucht und Einwanderung

Europas Verantwortung für die Tode im Mittelmeer

J. Olaf Kleist
Politikwissenschaftler mit dem Schwerpunkt Flüchtlingsforschung

am Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM), Berlin.

Gründer des Netzwerks Fluchtforschung.

Forscht zu, schreibt über und kommentiert Migrations- und Flüchtlingspolitik, insbesondere aber nicht nur in Deutschland und Europa.

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J. Olaf KleistDonnerstag, 27.12.2018

Etwa einer von 33 Flüchtlingen, die dieses Jahr versuchten, das zentrale Mittelmeer zu überqueren, starben bei dem Versuch. Seit 2014 sind über 14.000 Menschen auf dieser Route ertrunken. Doch anstatt zu helfen, kann der EU vorgeworfen werden, an den Toden eine Mitschuld zu tragen.

Das Hirsi-Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs von 2012 verlangt, dass Asylsuchende unter der Jurisdiktion von EU-Staaten nicht in unsichere Länder zurückgeschoben werden dürfen. Das bedeutet, Gerettete auf Schiffen der EU - zumal des Grenzschutzes oder der Marine - müssen nach Europa gebracht werden. Dies ist ein Problem für den EU-Grenzschutz, weshalb inzwischen eine enge Zusammenarbeit mit der libyschen Küstenwache stattfindet - durch das Bereitstellen von Gelder, Ausrüstung und Ausbildung. Das bedeutet aber auch, dass Flüchtlinge - häufig aus Sub-Sahara-Staaten - in Lager in Libyen verbracht werden. Migranten sind dort - wie das Büro des Hochkommissars für Menschenrechte der Vereinten Nationen gerade berichtete - "unvorstellbarem Horror" ausgeliefert.

Aber selbst die vermeintlichen Rettungen von Schiffbrüchigen durch die libysche Küstenwache - mit von Italien gestifteten Schiffen - gleicht eher Mord oder zumindest Todschlag, wie diese Dokumentation der New York Times und der Forensic Architecture and Forensic Oceanography Forschungsgruppe der Goldsmith University in London deutlich zeigt. Die Bilder von 10 Kameras plus Zeugenaussagen sind schockierend - und gerade deshalb so wichtig zu sehen: Sea Watch versucht Menschen aus dem Meer zu retten und wird dabei behindert und bedroht. Ertrinkende werden von den Libyern allein gelassen oder, wenn sie es an Bord der Küstenwache schaffen, misshandelt. Das alles quasi im Auftrag der EU. Immerhin: Italien wird hierfür nun verklagt.

Ich bin übrigens gerade Fördermitglied von Sea Watch geworden.

Europas Verantwortung für die Tode im Mittelmeer

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Kommentare 6
  1. Fabian Goldmann
    Fabian Goldmann · vor 5 Jahren

    Schöner Beitrag, stand auch auf meiner Piq-Liste.

  2. Wendelin Ackermann
    Wendelin Ackermann · vor 5 Jahren

    Mit Verlaub:
    diese Überschrift ist meiner Meinung nach eine bescheuerte These. Die dramatischen Bilder sind zunächst das Ergebnis von verantwortungslosem in See stechen!
    Beteiligt und verantwortlich: Schlepper und Migranten sowie Flüchtlinge.

    Ich finde es nicht hinnehmbar, dass von Flüchtlingen die Rede ist, wenn es sich größtenteils um Migranten handelt. Im ersten Satz des Artikels ist wieder von Flüchtlingen die Rede.

    Ich bin auch dafür, dass Menschen grundsätzlich entscheiden können sollten, wo sie leben wollen. Aber es ist auch das Recht der Gesellschaften in den Zielländern zu entscheiden, wen sie in ihr Land kommen lassen möchten. Hier darf unterschieden werden zwischen Menschen in einer Notlage auf der Flucht (Asyl), und Menschen, die aus schwierigen Umständen lieber ihr Erspartes nutzen um Schlepper für den Transit nach Europa zu bezahlen.
    Oft weil sie den Werbesprüchen der Schlepper glauben, wonach sie ein Schlaraffenland erwartet.
    Die hiesige Flüchtlingsdebatte schreit nach Versachlichung. Diese Versachlichung wird leider verhindert von extremen Positionen. Einerseits hasserfüllter und pauschaler Fremdenhass, andererseits All-Are-Welcome-Politik.

    Da bleibt kaum Raum für eine vernünftige Debatte.
    Ich habe mir die Mühe gemacht und jeweils viele Wochen nach Ghana und Eritrea gereist. Ich wollte unter anderem auch besser verstehen, was Menschen dazu veranlasst, ihr Land zu verlassen den für sie extrem teuren und gefährlichen Weg zu wagen. Mein bester Freund aus Ghana ist erbärmlich zu Tode gekommen auf der Flucht. Ich weiß also ziemlich genau, wovon ich rede.
    Es ist anfänglich ein berauschendes Gefühl wenn man überzeugt ist, Gutes zu tun und moralisch im Recht zu sein. Ob es im Großen und Ganzen hilft, die Situation von Menschen zu verbessern ist eine andere Sache.
    Auch wenn es den Rahmen hier jetzt ein wenig sprengt: ich halte es für post-koloniales Gehabe im Pendel, sich für alles verantwortlich zu fühlen was außerhalb von Europa passiert.
    Wofür wir tatsächlich verantwortlich sind:
    für die Überschwemmung Afrikanischer Länder mit subventionierter Europäischer Ware,
    für das Leerfischen des Süd-Atlantiks, für
    das Jahrelange Bearbeiten von Asylanträgen,
    das wir immer noch kein probates Migrationsgesetz haben welches unseren gesellschaftlichen und ökonomischen Bedürfnissen entspricht....

    Ach, wenn man erstmal anfängt zu schreiben.... :-)

    Guten Rutsch und alles Gute

    wa

    1. J. Olaf Kleist
      J. Olaf Kleist · vor 5 Jahren

      Mein Eindruck war, dass in dem NY Times Artikel und Video durchaus erklärt wird, weshalb die Ereignisse im Mittelmeer und in Libyen in der Verantwortung der EU liegen. Wer dennoch die Veranwtortung bei den Menschenschmugglern und -händlern sieht, hier noch ein Artikel über deren wohl dokumentierten und der EU durchaus bekannten Verbindungen zur EU-finanzierten libyschen Küstenwache: https://www.theguardia...
      Dass Menschen Libyen nicht einfach aus Abenteuerlust und auf der Suche nach einem besseren Leben verlassen, sollte eigentlich klar sein. Was immer die einzelnen Umstände sind, weshalb sie ihr Herkunftsland verlassen haben, es ist wohl davon auszugehen, dass sie aus Libyen flüchten (einem traditionellen Zielland für Arbeitsmigranten). Ob sie dann in Europa bleiben dürfen, muss in einem Asylverfahren geprüft werden. Dass sie dazu aber zunächst gerettet und nicht in die Folterkammern Libyens verbracht werden dürfen, sollte nicht nur aus formell menschenrechtlichen Gründen selbstverständlich sein. Ist es aber offenbar nicht - faktisch, und wie ich Ihrem Kommentar entnehme auch ethisch-politisch nicht. Ich bin aber nicht bereit, die im Video dokumentierten Praktiken in den Raum einer vernünftigen Debatte über Migrations- und Flüchtlingsdebatte zu lassen. Und hier liegt das wirkliche Problem Ihres Kommentars: Der Versuch, das Overton-Fenster (also, das Sag- und Diskutierbare) zu verschieben - so dass Totschlag an der Grenze als rationale Politik erscheinen soll und Menschenrechte als irrationales "Gutmenschentum" ins Reich des Absurden abgetan werden.
      Hervorzuheben, dass die EU nicht nur billigt sondern unterstützt, dass Menschen ertrinken und gefoltert werden, um Sie von Europa fern zu halten, hat nichts mit einer vermeintlichen "All-are-welcome-Politik" zu tun, die eh kaum jemand vertritt. Menschen- und Flüchtlingsrechte und sind einfach geltendes EU-Recht. Momentan werden diese im Mittelmeer von NGOs umgesetzt, teils entgegen EU-Staaten. Sich und Europa einfach so aus der Verantwortung zu nehmen, selbst wenn die EU und Italien nicht so direkt an den Verbrechen der libyschen Küstenwache beteiligt wären, ist ehrlich gesagt ignorant und gefährlich - nicht nur für Flüchtende und andere Migranten, sondern für ein demokratisches Europa.

    2. Wendelin Ackermann
      Wendelin Ackermann · vor 5 Jahren

      @J. Olaf Kleist Niemand hat gesagt, das Menschen aus 'Abenteuerlust' aus Libyen oder sonstwohin fliehen. Menschen haben immer einen triftigen Grund, wenn sie flüchten oder migrieren.
      Bezüglich der Flüchtlinge und Migranten, die aus Libyen kommen:

      Der überaus größte Teil derer, die Libyen Richtung Europa verlassen, ist vorher nach Libyen eingereist- meist aus dem Süden. In den wenigsten Fällen wussten die Menschen, worauf sie sich einlassen.

      Natürlich 'muss ein Asylverfahren klären', ob einem Menschen Asyl gewährt wird oder nicht.

      Bloß dauert in der Bundesrepublik dieses Verfahren absurd lange und diejenigen, die kein Bleiberecht erhalten, können dennoch nicht wieder abgeschoben werden aus vielerlei Gründen;
      humanitäre Gründe,
      fehlende Papiere,
      mangelnde Kooperation,
      tatsächliche oder behauptete Suizidgefahr, laufende Strafverfahren...

      Da einerseits die Menschen während der Wartezeit keine Perspektive haben und andererseits Geld in ihre Heimatländer schicken wollen/ müssen, werden sie mitunter straffällig um an Geld zu kommen.

      Unser Asyl-System ist so absurd, dass dann am Ende -nicht selten nach 8 oder 10 Jahren- jemand abgeschoben wird, der dann allerdings schon wiederum so weit hier integriert ist, dass man ihn auf der Arbeit oder am Ausbildungsplatz abholt. Menschen also, die man eigentlich gerne hier behalten würde. To-Tal Ver-Rückt!

      So lange wir das Procedere nicht verbessern und beschleunigen, hat jemand der europäischen Boden betreten hat diverse Möglichkeiten, über Jahre hin in Europa zu bleiben, wenn er alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Das Argument, dass in einem Asylverfahren hier geklärt wird, wer hier bleiben darf und wer nicht ist in Anbetracht der Realität eine Farce.

      Vorwürfe, das jemand den 'Overton' verschieben will sind nicht hilfreich. Genauso wenig hilfreich wie die pauschale Diffamierung von Kritikern der Asylpraxis oder die Diffamierung von NGOs, die Seenotrettung betreiben.

      Ich wünsche mir einen differenzierten Diskurs, in dem man Dinge sagen können muss ohne dann in die eine oder andere Ecke gestellt zu werden.

      Ich habe viele Jahre im Ausland gelebt- vorwiegend Länder aus denen migriert wird- und arbeite berufsbedingt fast täglich in Asyl-Unterkünften. Ich weiß, wovon ich rede.

      NGOs, die Menschen aus Seenot retten verdienen Solidarität und Zustimmung. Allerdings arbeiten sie auf eigene Faust und ohne Mandat der Gesellschaft als Ganzes oder des Staates.

      Faktisch erfüllen sie auch das letzte Glied einer Logistik-Kette, indem sie nicht nur Menschen aus Seenot retten, sondern auch noch das entscheidende letzte Stück Weg nach Europa bringen. Die Tunesische Küste wäre ja beispielsweise mitunter näher.

      Und indem sie die Menschen auf Europäischen Boden bringen zwingen sie den Rest der Gesellschaft und den Staat, in einem von ihnen definierten Sinne tätig zu werden. Was man auch als Nötigung verstehen könnte. Ca. 8 von 10 Menschen, die über das Mittelmeer nach Europa kommen haben in Deutschland keine Chance auf Asyl. Dennoch werden sie eine ganze Weile hierbleiben.

      Ich denke ich habe mich ansatzweise verständlich gemacht und aufgezeigt, dass es durchaus auch andere Sichtweisen gibt auf ein hoch-komplexes Thema mit vielen Aspekten.

      Bitte also keinen moralischen Zeigefinger mehr im demokratischen Diskurs.

    3. Wendelin Ackermann
      Wendelin Ackermann · vor 5 Jahren

      @Wendelin Ackermann Fehler:
      In den wenigsten Fällen wussten die Menschen, worauf sie sich einlassen.

      Soll heißen:
      In den wenigsten Fällen wussten die Menschen NICHT, worauf sie sich einlassen.

    4. J. Olaf Kleist
      J. Olaf Kleist · vor 5 Jahren

      @Wendelin Ackermann Was Sie zum Asylverfahren sagen, stimmt ja alles. Mir ist nur nicht klar, was das mit dem Thema hier zu tun hat. Flüchtende sollen ja ein Asylverfahren bekommen, aber es dauert so lange? Ist die dokumentierte Politik okay, da wir unser Asylverfahren nicht geregelt bekommen? Das meinen Sie sicherlich nicht aber Asylverfahren zur Farce zu erklären in einer Diskussion um die Rettung von Asylsuchenden scheint etwas unpassend. Ich denke, es geht hier zunächst um die Verantwortung Europas für das Sterben im Mittelmeer. Darauf wollte ich hier hinweisen. Und ich habe den Eindruck, dass Sie davon ablenken wollen.
      Die Geretteten nach Tunesien bringen? Gerne, wenn dort Sicherheit garantiert werden kann. Aber da hat vielleicht auch Tunesien ein Wort mit zu reden. Bis dahin sollten wir Verantwortung übernehmen.
      Woher stammt Ihre Statistik, dass 80% der über das Mittelmeer eingereisten Asylbewerber keinen Schutzstatus bekommen? (Dass Sie kein Asyl nach dem GG bekommen ist klar, hat aber nichts mit Flucht-/Migrationsgründen zu tun.)
      Schließlich: Die Abwehr eines vermeintlichen moralischen Zeigefingers, den niemand erhoben hat, scheint doch vor allem das Zurückweisen von Moral im demokratischen Diskurs überhaupt zu sein. Dies erscheint dann wie eine implizite Rechtfertigung der europäischen Grenzpolitik, die hunderte wenn nicht tausende Tote zur Folge hat. Ich will Ihnen keinesfalls unterstellen, dass Sie das befürworten. Nur sprechen wollen Sie über Moral und Verantwortung scheinbar auch nicht. Und das hat durchaus was mit dem Overton-Fenster zu tun.

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