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Feminismen

"Vergewaltigung ist ein Verbrechen. Aber..." – Wie man Solidarität in #metoo-Fragen vergeigt

Margarete Stokowski
Autorin
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Margarete StokowskiDonnerstag, 11.01.2018

Es gab also diesen offenen Brief in der „Le Monde“, in dem französische Künstlerinnen sich von #metoo distanzieren und schreiben, es sei eine „Kampagne der Denunziation und öffentlicher Anschuldigungen“ am Laufen, die ganze Sache sei totalitär und gegen sexuelle Freiheit.

Neben viel berechtigter Kritik an diesem Brief gab es auch Stimmen, die das Anliegen von Catherine Deneuve und anderen verteidigten. So war etwa in der „SZ“ zu lesen, man sollte den Brief „so lesen, dass er die Frauen ermächtigen will, selbst die Grenzen zu ziehen“. Das ist ziemlich schräg angesichts der Tatsache, dass Frauen oder Männer, die Übergriffe öffentlich machen, ja gerade selbst eine Grenze ziehen: Das war kein Flirt, das war kein Sex, das war ein Übergriff. 

Im „New Yorker“ hat Lauren Collins nun noch einmal sehr gut erklärt, was genau an dem offenen Brief so unglaublich falsch und unsolidarisch ist. Sie erzählt auch von einem Übergriff, den sie selbst erlebt und lange Zeit verdrängt hat: Ja, sagt sie, manche Frauen können direkt nach so einem Erlebnis wieder arbeiten und weiterleben und alles. Aber manche nicht, und es ist ihr Recht, darüber zu sprechen und die Täter anzuklagen.

Der „Le Monde“-Brief beginne zwar mit der Feststellung, dass Vergewaltigung ein Verbrechen ist – allein, darauf folgt direkt ein „aber“. Ähnlich wie in Sätzen mit „Ich bin kein Sexist/Rassist/..., ABER...“, kommt in solchen Fällen selten etwas Gutes raus.

When the second sentence of an argument makes a turn against the wrongness of rape, you know you are not in for a subtle debate.

Collins zeigt auch angemessen deutlich, dass es nicht darum geht, dass die Leute nicht mehr Flirten sollen oder Frauen sich nie wieder zum sexuellen Objekt machen dürfen. Natürlich dürfen sie das: Es ist nur eben etwas komplett anderes, als vergewaltigt/belästigt/genötigt zu werden.

A woman can fight for equal pay and not like assault, or tuna-fish sandwiches. There’s no connection.


"Vergewaltigung ist ein Verbrechen. Aber..." – Wie man Solidarität in #metoo-Fragen vergeigt

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Kommentare 10
  1. Tobias Schwarz
    Tobias Schwarz · vor mehr als 6 Jahre

    "“A freedom to bother”—it was the first time I’d heard that one. (The word that the women used, “importuner,” ranges in connotation ... . Whatever the level of offense, the behavior is clearly unwanted.)"

    Collins Aussage geht in Richtung dessen, was Sie in Ihrer SpOn Kolumne zur Rettung des Flirts aufgeworfen haben, in Bezug auf die Autorin, die "Übergriffigkeit" als notwendig angesehen hat. Sie gaben daraufhin in der Kolumne zu, daß jede Kommunikation über Grenzen "im philosophischen Sinne" natürlich übergriffig sein müsse, nur um im Folgenden klarzustellen, daß das "natürlich" nicht wäre, was die Autorin des von Ihnen kritisierten Artikels gemeint habe.

    Ähnlich ist es aus meiner Sicht hier. Aus Angst, daß eine Diskussion über die "philosophische Ebene" dazu führen könnte, daß irgendjemand auf der "tatsächlichen Ebene" übergriffig wird, wird jede diskursive Differenzierung der Ebenen vermieden, mit der einen Aussage für alle, die verunsichert sind: vertraut uns doch mal, daß wir die Unterscheidung praktisch schon machen werden, wenn es drauf ankommt.

    Und das ist vermutlich auch so. Aber das reicht für die Diskussion - und als Prinzip - eben nicht aus.

    1. Tobias Schwarz
      Tobias Schwarz · vor mehr als 6 Jahre

      1/

      Catherine Millet im Interview in der FAZ (Link am Ende) - das gesamte Problem (inklusive ihrer Selbstwidersrpüche) in gerade mal zwei Absätzen -

      a) fehlende, bzw. bei weitem nicht ausreichende diskursive Differenzierung von Handlungen, s.o. -

      "Gut, dann sprechen wir doch von den Nuancen. Am Anfang Ihres Textes schreiben Sie: „Die Vergewaltigung ist ein Verbrechen, aber eine plumpe Anmache ist kein Delikt.“ Sind Sie wirklich der Ansicht, man mache da keinen Unterschied?

      Ehrlich gesagt, ja. Vor ein paar Tagen hörte ich im Radio eine Feministin, die gegen unseren Text argumentierte. Und sie erklärte genau das: Man dürfe nicht mehr unterscheiden, man müsse einen Mann, der einem irgendwie lästig wird, sofort anzeigen. Ich finde das verrückt. Es gibt doch wohl sehr viele sehr unterschiedliche Formen des Lästig-Seins. Manche davon sind schlimm, viele sind es nicht. Die zu unterscheiden, die graduellen Nuancen nicht einfach zu verwischen, das scheint mir essentiell."

    2. Tobias Schwarz
      Tobias Schwarz · vor mehr als 6 Jahre

      @Tobias Schwarz 2/

      "Glauben Sie nicht, dass das jede Frau anders empfindet?

      Natürlich, aber gerade deshalb sollte man es doch jeder Frau überlassen, das für sich selbst zu entscheiden, selbst zu wissen, wo ihre Grenze liegt. Gerade deshalb, gerade weil jede Frau das anders empfindet, bin ich dagegen, dass man uns eine Moral von außen auferlegt."

      Sie spricht hier die angebliche moralische Panik durch #metoo an, aber das eigentliche Problem der notwendigen Formulierung von sozialen Standards, die als Null-Hypothese für soziale Interaktionen gelten, bestand natürlich vorher genauso, und die haben vermutlich seltener das Interesse vieler Frauen gespiegelt. Das ist ja *eines* der berechtigten Anliegen der Aktion. Nur kann man nicht beides haben: man kann nicht eine Subjektive zur Objektive erklären. Insofern das bisher so war - aus der anderen Perspektive - war das genauso falsch. Nur: an dieser Stelle, der Durchsetzung, entscheidet sich, ob der Feminismus seinen eigenen Befreiungsansprüchen genügen können wird.

      http://www.faz.net/akt...

  2. Nutzer gelöscht
    Nutzer gelöscht · vor mehr als 6 Jahre

    Das ist der erste Piqd, der auf mich polarisierend wirkt und wo ich den Eindruck nicht loswerde, dass die Feminismus-Debatte mit dem offenen Brief erst richtig an Fahrt aufnehmen wird.
    Ich finde es sehr tendentiös die Begriffe Freiheit und Solidarität gegeneinander auszuspielen, und als Krönung dann die eigene Deutungüber das zu stellen, was Deneuve bspw. im übersetzten Interview auf Blendle gesagt hat.
    Es wird eine Pranger-und-Lynch-Justiz angeklagt, die im piqd indirekt befúrwortet wird: "Aber manche nicht, und es ist ihr Recht, darüber zu sprechen und die Täter anzuklagen. " Freiheit bedeutet jedoch, und da stimme ich Deneuve zu, auch ausserhalb viraler Hashtag-Wellen, alle rechtsstaatlichen Mittel zu nutzen, um gegen Vergewaltigungen vorzugehen.
    Der Piqd-Kollege Jörn Klare hat ironischerweise einen Piqd verfasst zum Monopolismus des Geistes, und ich muss Deneuve auch hier Recht geben, dass nicht nur in der Tech-Branche, sondern auch - wie es mir scheint - viele aktive Feministinnen ein eher totalitäres Verständnis der Emanzipation verfolgen.
    Nachdenklich.
    Jon

    1. Margarete Stokowski
      Margarete Stokowski · vor mehr als 6 Jahre

      Man muss schon mit einem sehr stabilen Konzept davon, was Feminismus ist, in die Debatte einsteigen, wenn man meint, hier soll auf irgendeine Art Freiheit zugunsten von Solidarität beschränkt werden (zu welchem Zweck?) und dass der Satz "es ist ihr Recht, darüber zu sprechen und die Täter anzuklagen" die indirekte Befürwortung einer Pranger- und Lynchjustiz ist. Ernsthaft? Was davon widerspricht denn der Ausschöpfung aller rechtsstaatlichen Mittel? Wie viel Angst muss man vor Frauen haben, die über Unrecht sprechen, wenn man meint, dass "viele aktive Feministinnen ein eher totalitäres Verständnis der Emanzipation verfolgen"? Da reden Frauen über Gewalt, die ihnen passiert ist, und die Verteidigung ihres Rechts darauf wird mit menschenverachtenden Strafmethoden und Totalitarismus verglichen. Es scheint mir, gelinde gesagt, nicht verhältnismäßig, um nicht zu sagen: grotesk.

    2. Nutzer gelöscht
      Nutzer gelöscht · vor mehr als 6 Jahre

      @Margarete Stokowski Nein, ich denke Sie/du (?) verstehen/verstehst mich falsch, bzw. ich meine es differenzierter, als es vielleicht angekommen ist.
      Zum einen ist es nicht meine Intention, dass "Frauen haben, die über Unrecht sprechen" per se in eine Ecke gestellt werden, und ihnen einen Totalitarismus-Stempel aufzudrücken. Zum zweiten ist meine Auffassung eher dahingehend, dass es wichtig und richtig ist, gesellschaftliche Misstände, die mit hoher Wahrscheinlichkeit endemisch sind, und erschreckend tiefliegende Strukturprobleme aufzeigen, zu benennen und sichtbar zu machen.
      Wo meine Kritik jedoch hinzielt, ist - und da folge ich dem offenen Brief der Französinnen -, dass eine sexuell "befreite Gesellschaft" (ob das wirklich so ist?) nur dann funktioniert, wenn ihre Mitglieder selbstbewusste Menschen sind, die sich ihrer Rechte mit Nachdruck zu bedienen wissen, und erst durch den Gebrauch ihrer Rechte (also z.B. Rechtsweg) zu helfen wissen. Das schliesst Solidarität nicht aus.
      Was mir gleichzeitig auffällt,, ist die Tendenz, dass Auffassungen, wie die im offenen Brief, die ein differenziertes Bild entwerfen (und dabei vllt auch "kalt" oder "emotionslos" wirken können?)...

    3. Nutzer gelöscht
      Nutzer gelöscht · vor mehr als 6 Jahre

      @Margarete Stokowski ... auf solch starke Widerstände stossen, dass ich mich frage, inwieweit die Meinung/der Standpunkt einer Gruppe von Menschen stigmatisiert/gesellschaftlich geächtet wird, weil es nicht der Gesinnung derjenigen Menschen entspricht, die es gut und richtig finden, Menschen öffentlich anzuklagen und Konsequenzen herbeizuführen, die jenseits rechtstaatlicher Rechtssprechung sind, sondern auf einem - meiner Meinung nach - niederem Instiknt der Rache und Vergeltung beruhen.

      Vergewaltigungen und sexuelle Gewalt sind schrecklich, und ich frage mich gleichzeitig, ob es das fehlende Vertrauen in den Rechtsstaat und die Durchsetzung des Rechts ist, das den Betroffenen von #metoo zusteht, oder ob der Rechtsstaat vorsätzlich die Aufklärung sexueller Gewalt verhindert und deswegen kein anderer Weg blieb, als der öffentliche Pranger.
      Ich finde es gut, Misstände anzuprangern, ich finde es als cis-Mann richtig, andere Männer darauf hinzuweisen, wenn sie ein Gewalt gegen Frauen verherrlichendes Bild zeichnen und das nicht schweigend hinzunehmen.

    4. Monika Kienle
      Monika Kienle · vor mehr als 6 Jahre

      (in Antwort auf gelöschten Kommentar) Ich fand diesen Brief der 100 Frauen zunächst auch bemerkenswert, merke aber, dass ich ihn nicht kritisch genug gelesen hatte.
      Der Brief wird nicht nur wegen fehlender Solidarität kritisiert. In Solidarität sind Frauen generell schlechter als Männer.
      Da wird in den Rücken gefallen weil die Kampagne einen Hype erreicht hat, bei dem es einigen Männern nun an den Kragen geht, schneller als das 2. O bei metoo getippt wurde.
      Beides kann man lamentieren, aber zusammen wird es schwierig.
      Der Pranger gegenüber rechtsstaatlichen Mitteln ist nur deshalb notwendig, weil sexuelle Übergriffe vor Gericht kaum nachweisbar sind.
      Ich finde es wertvoll darauf hinzuweisen, dass in diesen Zeiten, nicht alles an den Pranger zu stellen ist, eben weil das der Prüderie in die Hände spielt. Wenn eine Frau sich ihrer Macht bewusst ist, kann sie mit genannter Hand oder gestohlenem Kuss anders umgehen. Mit Recht kann man sich fragen, ob dieses Bewusstsein durch die metoo-Debatte gestärkt wird, aber dass da viel im Argen liegt erkennt dieser Brief an, ob er aber wirklich das sagt, was ich darin zunächst lesen wollte, bezweifle ich inzwischen.

    5. Monika Kienle
      Monika Kienle · vor mehr als 6 Jahre

      (in Antwort auf gelöschten Kommentar) ...Es begann damit sichtbar zu machen, wie weit verbreitet sexuelle Übergriffe tatsächlich sind. Diese Solidarität hat es möglich gemacht die Dimension aufzuzeigen. Es ist gigantisch groß und gerade deshalb halte ich es für wichtig, es nicht ohne Not noch größer zu machen oder eine Hexenjagd. Es scheint fast unmöglich, dazu die richtigen Worte zu finden.

    6. Nutzer gelöscht
      Nutzer gelöscht · vor mehr als 6 Jahre

      @Monika Kienle http://www.sueddeutsch...

      Ganz interessant.

      @Monika: "Es scheint fast unmöglich, dazu die richtigen Worte zu finden." So fühlt es sich für mich auch an.

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