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Feminismen

Die ZEIT-Männer über den Feminismus

Barbara Streidl
Journalistin, Musikerin
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Barbara StreidlFreitag, 13.04.2018

Vergangene Woche schrieb Jens Jessen, Urgestein der ZEIT, einen zornigen Text über die neuen jungen Feministinnen, die ihm – kurz zusammengefasst – missfielen, weil sie spätestens seit #metoo in jedem Mann einen Vergewaltiger sähen, usw. Es geht also um einen "Triumph des totalitären Feminismus" – und das alles als Ergebnis der #metoo-Bewegung. Auf Radio eins etwa verteidigt Jessen seinen Text.

Auf diesen Text gab es viele Reaktionen, die naturgemäß nicht immer amused waren. Ich hab mich sehr an den (legendären) Problemtext "Männerdämmerung" von Frank Schirrmacher erinnert, der ja vor über zehn Jahren auch mich dazu gebracht hat, das Buch "Wir Alphamädchen – warum Feminismus das Leben schöner macht" zu schreiben.

Nun hat die ZEIT in ihrer aktuellen Ausgabe selbst noch einmal darauf reagiert, Bernd Ulrich aus der Redaktion hat geschrieben, wie es ihm mit all dem geht. Es geht um das Schweigen zur #metoo-Debatte, darum, welche Rollenvorstellung Männer heute haben können, sollen, könnten und sollten ("die Männer" gibt es ja bekanntlich nicht, sondern viele unterschiedliche Männer mit zum Teil sehr diversen Haltungen).

Ich wünsche mir auch hier bei piqd einen Austausch zu diesem Thema – oder ist das alles nur ein inszenierter Streit bei der ZEIT?

Den verlinkten Artikel habe ich verlinkt, damit es einen (bezahlfreien) Überblick gibt, die Links hier drin gehen zum teilweise kostenpflichtigen Inhalt der ZEIT.


Die ZEIT-Männer über den Feminismus

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Kommentare 7
  1. Tobias Schwarz
    Tobias Schwarz · vor fast 6 Jahre

    Ich denke, dass auf Seiten der Zeit schon etwas Strategie dahinter war, aber das muß ja nicht schlecht sein, so wird die Struktur des Diskursproblems ja besonders sichtbar. Die beiden Artikel - genauso wie die Reaktion auf sie - zeigen aus meiner Sicht die Dysfunktionalität und das Aneinandervorbeireden der gesamten Diskussion zum Thema Gender und Feminismus und insbesondere der Diskussion um Männlichkeit aus dieser Perspektive exemplarisch auf.

    Eines der aus meiner Sicht wesentlichen Probleme wird an der irritierten Reaktion darauf sichtbar, dass Jessen feministische Positionen einfach mal beim Wort genommen und logisch bis zum Ende durchdekliniert hat. Das machen offenbar viele Feminst_*innen zu selten, weswegen sie dann mitunter überrascht sind, wenn sie lesen, was beim logischen Zuendedenken gewisser Aussagen herauskommen kann. Und sie sind dann irritiert und fühlen sich missverstanden und fälschlicherweise beschuldigt, weil das ja in aller Regel tatsächlich nicht so gemeint ist, was sie denken und sagen.

    Wenn z.B. jemand auf feministischer Seite von "ongoing verbal (enthusiastic) consent" redet, ist mE idR gemeint, dass die beteiligten Personen so vorsichtig miteinander umgehen sollen, dass sie merken, wenn die/eine andere Person ihre Meinung ändert und dann eben aufhören, und idR nicht, dass eine Person der/einer anderen z.B. beim penetrativen Sex jeden einzelnen Stoß ex-ante mit einem (rechtssicher enthusiastischen) "ja" erlauben soll.

    Letzteres ist allerdings die Konsequenz des logischen/rechtlichen Zuendedenkens einer solcherart unpräzise formulierten gedanklichen Figur. Gleichzeitig halten dann aber viele Feminist_*innen eine Argumentation auf der begrifflich präzisen Ebene für unehrlich und vorgeschoben und ein bösartiges, frauenfeindliches Störmanöver, weil sie davon ausgehen, dass alle anderen eben schon verstünden, was sie eigentlich meinen. Wenn also jemand präzise gegen die unpräzise Formulierung argumentiert, dann wird das nicht als Schwäche der eigenen unpräzisen Argumentation gesehen, sondern als Hinweis, dass die Person die der eigenen Position inhärente moralische Logik ablehne. Also, um im Beispiel zu bleiben, schon durch das präzise Nachfragen "rape culture" legitimiere.

    Diese Unterstellung mag mitunter auch zutreffen, aber zumeist dürfte das eher nicht der Fall sein. Bewusst machen sollte man sich dieses Phänomens deswegen. Die einfachste Lösung wäre aus meiner Sicht, wie bei jedem Streit, die argumentativen Ebenen aktiv zu trennen, zugrunde liegende Motivationen und vorgebrachte Argumente auseinander zu halten.

    Aber das ist halt, wie bei jedem Streit, in der Praxis nicht so einfach.

    Ein anderes Problem, das die Artikel von Jessen und Ulrich exemplarisch demonstrieren, ist aus meiner Sicht, dass die Gender-Diskussion entlang der Kategorien und Stereotype stattfindet, die sie angeblich abschaffen will. Jessen zeigt Wut und einen gewissen Kontrollverlust ("Schwäche"), Ulrich akzeptiert sein axiomatisches "Privilege", die größere Bedeutung der Probleme anderer, und erklärt, dass er, anders als Jessen, schon mit den Paradoxien des modernen Mannseins zurechtkomme, was ihn, sowohl im Verhältnis zu Jessen, als auch im Verhältnis zu Frauen, wieder in eine dominante Rolle bringt. Anders als bei Jessen, der sich in der Wut verletzlich gezeigt hat, reproduziert Ulrich klassische Männlichkeit gerade beim Versuch sie zu problematisieren. Und gleiches tut der Applaus, der ihm zuteil wurde.

    1. Tobias Schwarz
      Tobias Schwarz · vor fast 6 Jahre

      "Ich wünsche mir auch hier bei piqd einen Austausch zu diesem Thema ..."

      Viele scheinen den Wunsch von Frau Streidl nicht zu teilen... ;)

    2. Barbara Streidl
      Barbara Streidl · vor fast 6 Jahre

      @Tobias Schwarz Na, wenigstens du tauscht dich aus. Einen Hinweis noch, um das Miteinander auf der Beziehungsebene anzugehen, das möglicherweise auch eine Ursache für die fortwährenden Missverständnisse ist. Im Buch "Wege zum Nein" gibt es einen guten Text von Johanna Montanari ("Kein Käfig, keine Grenze"), der da gute Ideen bringt:

      „Es gibt eine machtvolle Erzählung, in der die Person, welche ein Grenze überschreitet, mit Männlichkeit verbunden wird. Die Person, die ihre Grenzen aufzeigt, wird mit Weiblichkeit verbunden, selbst wenn sich diese anders definiert.“
      „Ich glaube, dass die Metapher der Grenze auf feindselige Logiken verweist, auf Logiken der Herrschaft, und dass diese Logiken dafür sorgen, dass Beziehungen zu Käfigen werden. Ich wünsche mir Beziehungen mit Verbündeten voller Wohlwollen. Dazu gehört für mich Nein sagen zu können, ohne dass das bedeutet, dass ich mich abgrenze.“

    3. Tobias Schwarz
      Tobias Schwarz · vor fast 6 Jahre

      @Barbara Streidl 1/ Ja, ich finde das Thema wichtig, auch auf der begrifflichen Ebene. Gerade da. Deswegen werden Diskussion oft sehr schnell fundamental und axiomatisch. Denn die gemeinsame begriffliche Basis fehlt, und mitunter ist das ja auch so gewollt (und manchmal notwendig).

      Ich kann zum Kontext der Zitate leider nichts sagen, weil ich den Aufsatz nicht gelesen habe, und ich habe das Gefühl, dass der Kontext notwendig sein könnte für das Verständnis, denn begriffslogisch ist ein 'Nein' natürlich - das ist doch auch der Sinn der Sache - eine kommunikationslogische und praktische Grenze. Hier wird also der Wunsch nach einer Grenzziehung ohne Grenzziehung laut, was entweder schlicht unmöglich ist, oder darauf hindeutet, dass die verwendeten Begriffe nicht ausreichen, um das tatsächlich Gemeinte kontextfrei und allgemein verständlich zu kommunizieren.

      Ich glaube, dass die erwähnte Definition von Männlichkeit einen wesentlichen grundsätzlichen Aspekt erfasst, wohingegen von Weiblichkeit sich mE nur in diesem speziellen Zusammenhang so darstellt. Wie fundamental der ist, wäre eine Frage, die die Gründe der "machtvollen Erzählung" zu identifizieren suchte. Es wäre die Frage nach tatsächlicher heterosexueller Begehrensdifferenz und ihrer diskursiven Einbettung. Dazu schreibe ich seit zwei Jahren einen viel zu langen Artikel...

      Der Philosoph Michael Groneberg nennt das in seinem Aufsatz «Bullenmänner» die "topologische Geschlechterordnung."

      "Männlichkeit ist als Überschreitung der Grenze als solche konzipiert, als Vektor, der vom Eigenen ins Andere, ins unabgeschlossen Unendliche weist — sei es Platons Geste folgend nach droben, zu den Ideen oder Gott, oder Aristoteles' folgend nach draussen, zur Erfassung und Aneignung der Welt. ... "

      NUR gilt, wie er schreibt, auch:

      "Es braucht keine Conquistadoren mehr, die aussegeln oder Cowboy-Helden, die nach Westen reiten, auf der Suche nach neuen Schätzen oder
      einer besseren Welt. Der Pazifik war Endstation für des westlichen Menschen Sehnsucht und Expansionsdrang und er baute sich Hollywood genau an diesem Ort.

      ... Die Menschheit hat insofern auf sich reflektiert, doch real, nicht nur im Geiste. Sie ist auf sich zurückgeworfen durch die Grenzen der Erde, ohne Ventil. Es gibt kein erreichbares Draussen mehr.

      Gesellschaften funktionieren womöglich nie mehr wie bisher, weil es keine Ausflucht mehr gibt. ...

      Ohne Transzendenz, ohne ein Draussen, in das das phallische Alphatier erobernd vorstossen könnte, ist alles zum Drinnen geworden, zu **ihrem** Reich: ... Die Verteilung der Aufgaben, die dem Mann die schizoide Rolle zudachte, der kontrollierte Raging Bull zu sein, wurde obsolet. Immanenz des Geistes und Geschlossenheit der Welt erklären nicht nur die wachsende Macht der Frauen, sondern auch das Ende der vektoriellen Männlichkeit. Der Mann wird sich langfristig in eine Existenz einfinden langfristig in eine Existenz einfinden müssen, die nicht mehr auf der Trennung des Drinnen und des Draussen beruht, wo Gewalt und Aggression von ihm erwartet werden, die er manchmal austoben darf, aber im Prinzip beherrschen können muss, vor allem zu Hause. ..."

      Das Problem daran ist halt, so ja auch Bernd Ulrich, Susan Bordo paraphrasierend, das heterosexuelle weibliche Begehren: "Wir sollen schon noch irgendwie männlich sein, damit wir jedenfalls für heterosexuell geneigte Frauen attraktiv sind – dürfen es aber nicht sein, weil alles Männliche jederzeit auch illegitim oder unpassend sein kann."

    4. Tobias Schwarz
      Tobias Schwarz · vor fast 6 Jahre

      @Barbara Streidl 2/ Das (teilweise nur) perzipierte weibliche Begehren ist der Käfig der heterosexuellen Männlichkeit, und er kann maximal so allgemein und vorsichtig thematisiert werden wie Ulrich es tut. Mit dem Eingeständnis von zuviel Schwäche riskiert man mit der Selbstbefreiung gleichzeitig die sexuelle Selbstabschaffung.

      Julia Serano hat über dieses Problem des Geschlechterdiskurses im Sammelband "Yes means Yes" geschrieben.

      "Any attempts to critique men for being sexually aggressive, or to critique women for fulfilling the role of sexual object, will have a very limited effect. These tactics, after all, fail to address the crucial issue of demand. So long as heterosexual women are attracted to men who act like aggressors, and heterosexual men are attracted to women who act like objects, people will continue to fulfill those roles."

      Und erst kürzlich schrieb Amia Srinivasan in der London Review of Books einen faszinierenden Artikel über Begehrensdifferenzen, allerdings - erklärlich unerklärlich - ohne die diesbezüglich notwendig dominante heterosexuelle Problematik zu diskutieren.

      https://www.lrb.co.uk/...

      Und an genau dieser Stelle ergibt die von Dir zitierte Aussage von Johanna Montanari zur großen Männlichkeitserzählung natürlich Sinn, denn wenn es aufeinander bezogene Begehrensasymmetrien gibt, ist die Konsequenz notwendig die beschriebene.

      Es ist daher - auch wenn das individuell natürlich so sein mag - mir schwer vorstellbar, dass ein Buch zur Sexualstrafrechtsreform aus generalisierter männlicher Perspektive "Wege zum Nein" heißen könnte. Fragen nach "Wegen zum Ja" dagegen müssen an dem von Ulrich skizzierten Double Bind scheitern, was wiederum aus jener Perspektive zwangsläufig zu dem von Jessen skizzierten Double Bind führt (in den Worten von Bernd Ulrich:) "Jens Jessen beklagt in seinem Text, der Mann werde vom feministischen Diskurs in Doublebind-Situationen gebracht, sehe sich also beispielsweise der Feigheit bezichtigt, wenn er nichts zur Geschlechterdebatte sage, oder der ungehörigen Einmischung, wenn doch."

      Leider habe ich trotz längeren ernsthaften Nachdenkens über diese Frage bisher keine besonders hilfreiche Idee, wie es möglich sein könnte, die so notwendig entstehenden Perspektivprobleme zu entspannen.

    5. Barbara Streidl
      Barbara Streidl · vor fast 6 Jahre

      @Tobias Schwarz Daneben noch eine andere Frage: Bist du eigentlich auch der Tobias Schwarz, der hier piqt (dein Bild ist ja nicht verlinkt ...)?

    6. Tobias Schwarz
      Tobias Schwarz · vor fast 6 Jahre

      @Barbara Streidl Ich weiß nicht welcher andere Tobias Schwarz hier piqd, aber vermute es wird der isarmatrose sein. Das bin nicht ich, aber ist auch nicht das erste Mal, dass wir verwechselt werden... =)

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