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Europa

Wie sich mehr für die Ukraine tun lässt

Project Syndicate
The World's Opinion Page
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Project SyndicateDienstag, 17.05.2022

Wir veröffentlichen regelmäßig Übersetzungen ausgewählter Meinungsstücke von Project Syndicate. Diese sind zunächst als Service-piqs exklusiv für unsere Mitglieder zugänglich.

Da es dem russischen Präsidenten Wladimir Putin nicht gelungen ist, einen schnellen Sieg in der Ukraine zu erringen, haben die Ukrainer nun ein unerschütterliches Vertrauen in ihre eigene Fähigkeit, den Krieg am Ende zu gewinnen. Doch vieles wird von der Bereitschaft der westlichen Regierungen abhängen, alle ihnen zur Verfügung stehenden wirtschaftspolitischen Instrumente einzusetzen.

Oleg Ustenko ist seit Mai 2019 Wirtschaftsberater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Zelenski.

Michael R. Strain ist Direktor für wirtschaftspolitische Studien am American Enterprise Institute.

Am 6. Mai 2022 sprach der Ökonom Michael R. Strain vom American Enterprise Institute mit Oleg Ustenko, dem leitenden Wirtschaftsberater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, über die internationale Reaktion auf Russlands Krieg und die Lage vor Ort in der Ukraine. Von einem geheim gehaltenen Ort in der Ukraine aus stellte Ustenko klar, dass die USA und Europa mehr tun könnten, um den Krieg zu beenden, beim Wiederaufbau der Ukraine zu helfen und sicherzustellen, dass Russland seinen Angriff in der Zukunft nicht wiederholen kann.

Michael R. Strain: Die Europäische Kommission hat vor kurzem einen Vorschlag vorgelegt, die Einfuhr von russischem Rohöl innerhalb von sechs Monaten und von Mineralölprodukten bis Ende 2022 schrittweise einzustellen. Dem müssten alle EU-Mitgliedstaaten zustimmen. Was ist Ihre Reaktion auf den Vorschlag in seiner derzeitigen Fassung?

Oleg Ustenko: Die Russen nutzen die Einnahmen aus dem Energiegeschäft, um ihre Kriegsmaschinerie zu finanzieren; daher begrüßen wir diesen Schritt sehr. Aber er geht nicht weit genug. Russland erhält für seine Energieexporte pro Tag eine Milliarde Dollar. Sie können sich vorstellen, wie viele Raketen, Waffen und Bomben es davon in den sechs Monaten kaufen kann, bevor das Embargo vollständig umgesetzt wird.

Unsere Position ist simpel. Wir möchten, dass dieses Embargo sofort in Kraft tritt. Wir können nicht weitere sechs Monate warten, während Russland fortfährt, unsere Bürger zu töten. Wir sind der Ansicht, dass Europa unter diesen Umständen sofort handeln muss.

MS: US-Finanzministerin Janet Yellen hat diese Frage am 21. April kommentiert und die Wichtigkeit betont, dass Europa seine Abhängigkeit von russischer Energie mittelfristig verringert. Aber sie sagte auch: „Wir müssen vorsichtig sein, wenn wir über ein vollständiges europäisches Verbot etwa von Ölimporten nachdenken.“ Dies, so warnte sie, „würde eindeutig die weltweiten Ölpreise erhöhen“, und das hätte „schädliche Auswirkungen auf Europa und andere Teile der Welt“. Sie sagte auch, dass dies „kontraintuitiv tatsächlich nur sehr geringe Auswirkungen auf Russland haben könnte, denn obwohl Russland dann womöglich weniger exportiert, würde der Preis für seine Exporte steigen“.

Haben Sie darauf eine Antwort?

OU: Natürlich wird das mit Kosten verbunden sein, aber nur kurzfristig, weil mittelfristig Änderungen erfolgen werden, um die Belastung Europas zu verringern. Diese werden aus zwei unterschiedlichen Quellen kommen. Erstens ist zu erwarten, dass die Öl produzierenden Länder – nicht nur im Mittleren Osten, sondern auch in Afrika – ihre Produktion steigern werden, wenn Europa ein Verbot russischer Importe erlässt. Das dürfte die Preise zum Sinken bringen. Zweitens erlebt China gerade einen Wirtschaftsabschwung, was bedeutet, dass es weniger Öl verbrauchen wird. Auch das wird die Märkte auf einen neuen Gleichgewichtszustand hinbewegen und die Preise senken.

MS: Das wäre kurz- und mittelfristig. Was ist langfristig?

OU: Es wäre eine Win-Win-Situation, weil die Einkommen aller vorhersehbarer wären und ihr Wohlstand sicherer.

MS: Aber Sie stimmen zu, dass, wenn Europa ein Verbot von Ölimporten aus Russland erließe, dies den Ölpreis in die Höhe treiben und Russland so kurzfristig helfen würde. Was für Schritte sollte man unternehmen, um diese kurzfristige Wirkung abzumildern?

OU: Auch mit dieser Situation könnten wir fertigwerden. Die Grenzkosten der Produktion liegen für russisches Öl bei etwa zehn Dollar pro Barrel. Man sollte es Russland gestatten, zehn Dollar pro verkauftem Barrel zu behalten, und alles, was darüber liegt, sollte über Sanktionen abgeschöpft werden. Dieses Geld sollte in einen Sonderfonds für den Wiederaufbau der Ukraine fließen.

MS: Wir haben bisher davon gesprochen, dass Europa Ölimporte aus Russland aggressiver begrenzen oder verbieten sollte. Was ist mit Erdgas?

OU: Dieses Thema ist etwas schwieriger. Aus unserer Sicht sollte Europa weiterhin russisches Gas kaufen, aber die Erlöse sollten auf ein Treuhandkonto fließen, das von einem speziellen Gremium verwaltet wird. Mit Zustimmung des Gremiums könnte ein Teil der Gelder nach Russland fließen – für wichtige Importe wie etwa Pharmazeutika. Dies würde Russland einen gewissen Anreiz lassen, selbst angesichts neuer Sanktionen weiterhin Erdgas an Europa zu verkaufen. Und das Gremium könnte größere Ausschüttungen an Russland genehmigen, wenn es sich aus der Ukraine zurückzieht und den Krieg beendet.

MS: Warum sollten die russischen Erdgasproduzenten unter derartigen Bedingungen an Europa verkaufen?

OU: Was sonst sollen sie mit dem Gas machen? Ihre Pipelines zu warten ist teuer; egal, ob sie das Gas ausliefern oder nicht. Entweder sie fügen sich dieser Regelung, oder sie können die Produktion ein für alle Mal einstellen.

MS: Wer würde das Treuhandkonto verwalten?

OU: Es sollte ein von unseren Verbündeten nominiertes Gremium sein: also von den USA und den EU-Ländern oder der Europäischen Kommission. Und die Ukraine muss darin vertreten sein.

MS: Welche weiteren wirtschaftspolitischen Optionen sollte Europa von aggressiveren Beschränkungen für Öl- und Erdgasimporte abgesehen Ihrer Meinung nach verfolgen?

OU: Wir hätten es gern, dass neue Sanktionen gegen die in Russland an der Macht befindlichen Personen verhängt würden. Es hat einige Sanktionen gegen Personen der höchsten Ebene gegeben, aber bisher nicht gegen ihre Familienangehörigen. Alle Mitglieder der Partei des russischen Präsidenten Wladimir Putin, Vereinigtes Russland, sollten von Europa abgeschnitten werden. Sie und ihre Angehörigen verbringen noch immer ihre Zeit in Europa, statt das Leben in Russland zu ertragen. Man sollte das unterbinden, sodass sie einen größeren Anreiz haben, Putin unter Druck zu setzen, den Krieg zu beenden.

Darüber hinaus muss sämtlicher Handel mit Russland gestoppt werden. So sollte man etwa Versicherungsunternehmen untersagen, Schiffe, die von russischen Häfen ablegen, zu versichern. Ohne Versicherungen gibt es keinen Handel. Wer wird unversicherte Waren aus Russland verschiffen? Und schließlich ließe sich mehr tun, um russische Banken vom internationalen Zahlungsverkehr abzuschneiden.

MS: Die USA haben ein Verbot gegen russische Energieimporte verhängt und einige Beschränkungen für neue Investitionen in Russlands Energiesektor erlassen. Was sollten die USA Ihrer Meinung nach noch tun, um die Ukraine wirtschaftspolitisch zu unterstützen?

OU: Die USA sind in einzigartiger Weise imstande, unsere europäischen Verbündeten zu überzeugen, die Sanktionen zu verschärfen. Sie könnten Europa etwa drängen, Reiseverbote für alle Mitglieder der herrschenden russischen Partei zu erlassen, oder russische Banken noch stärker vom internationalen Finanzsystem abzukoppeln.

MS: Der Krieg dauert bereits länger, als viele Beobachter ursprünglich erwartet haben. Wie besorgt sind Sie über die Fähigkeit Europas und der USA, den Willen aufrechtzuerhalten, die in Gestalt höherer Preise für Energie, Lebensmittel, Dünger und andere Waren anfallenden wirtschaftlichen Kosten zu tragen?

OU: Aus meiner Sicht haben sie keine andere Wahl. Wenn man es Putin gestattet, in der Ukraine zu siegen, werden sich seine territorialen Ambitionen in Europa noch vergrößern. Das ist bereits ein deutlicher Bestandteil russischer Propaganda. Der Kreml glaubt wirklich, dass er dabei ist, wieder ein russisches Großreich zu errichten. Wenn die Welt bereit ist, in der Ukraine zu kapitulieren, wird das Russlands Ambitionen verstärken.

Die Verluste der Ukraine

MS: Erzählen Sie mir etwas über die bisherigen wirtschaftlichen Kosten dieses Krieges für den ukrainischen Staatshaushalt und die ukrainische Wirtschaft.

OU: In der ersten Kriegswoche haben wir Vermögenswerte im Volumen von rund 100 Milliarden Dollar verloren. Danach sind die Kosten exponentiell gestiegen. Unsere jüngste Schätzung der Verluste liegt bei fast 650 Milliarden Dollar. Das betrifft nur das Vermögen. Die wirtschaftlichen Gesamtkosten des Krieges liegen im Bereich von einer Billion Dollar. Das ist für uns unglaublich viel Geld. Im vergangenen Jahr betrug das BIP der Ukraine 200 Milliarden Dollar, mehr als je zuvor. Wir sprechen hier also von Verlusten, die fünf Mal so hoch sind wie unser jährliches BIP vor dem Krieg. Etwa 50 % unserer Unternehmen wurden entweder zerstört oder haben dichtgemacht.

Darüber hinaus sind wir ein exportorientiertes Land. Rund 40 % unseres BIP beruhen auf Exporten, und für rund 60 % unserer Exporte sind wir auf den Transport durch das Schwarze Meer angewiesen. Zwar kontrollieren wir noch immer die wichtigsten Häfen in der Ukraine, aber Russland kontrolliert das Schwarze Meer, was den Transport unserer Waren dort extrem riskant macht.

MS: Lassen Sie uns über den Wiederaufbau reden. Yellen wurde auch über die Verwendung eines Teils der eingefrorenen russischen Notenbankreserven zur Unterstützung des Wiederaufbaus in der Ukraine befragt. Ihre Antwort lautete: „Wir müssten die Folgen sorgfältig durchdenken. … Ich würde das nicht leichtherzig tun wollen, und es ist glaube ich etwas, womit unsere Koalition und unsere Partner ebenfalls einverstanden sein und das sie unterstützen müssten.“ Sie äußerte außerdem, dass es in den USA gesetzlicher Regelungen bedürfe, um diese Option zu verfolgen.

OU: Zumindest für meine Ohren war ihre Reaktion problematisch. Was ist mit Russlands Invasion der Ukraine? War das rechtmäßig oder auch nur entfernt angemessen? Wovon reden wir hier? Ihre Reaktion hatte definitiv eine sehr negative Wirkung auf die Stimmung insgesamt.

MS: Erläutern Sie das.

OU: Die Menschen erwarten, für diesen Krieg entschädigt zu werden. Zu hören, dass es ein langer Entscheidungsprozess sein kann, ob die eingefrorenen Devisenreserven des Aggressors genutzt werden könnten, um der Ukraine zu helfen – zu hören, dass es Fragen über die Legalität eines solchen Handelns gibt –, ist für uns schlicht inakzeptabel.

Darüber hinaus griff die russische Propaganda Yellens Worte sofort auf und sagte sinngemäß: „Schaut, das ist genau, was wir sagen. Es kommt nicht in Frage, dass die Ukrainer für die Kosten des Krieges entschädigt werden. Nein, das sollte aus ihrem eigenen Haushalt kommen.“ Sie forcieren bereits die Botschaft, dass sie nicht für die der Ukraine zugefügten Schäden bezahlen werden.

Eine neue Ukraine

MS: Aber selbst falls die eingefrorenen russischen Reserven – etwa 300 Milliarden Dollar – zur Verfügung gestellt würden, wäre das nicht genug, um Selenskyjs jüngstes Versprechen zu erfüllen, „die besten Bedingungen für Investitionen in ganz Europa“ zu schaffen. Was ist die Strategie der Ukraine, um nach dem Krieg Investoren anzulocken?

OU: Im Rahmen einer Umfrage aus dem Jahr 2018 unter US-Unternehmen in der Ukraine habe ich festgestellt, dass amerikanische Unternehmen hier vor drei Problemen standen. Das erste war der Schutz von Eigentumsrechten. Ein verbundenes Problem war die Unzuverlässigkeit des Rechtssystems. Man braucht starke Gerichte, um Eigentumsrechte zu schützen, und wenn die Gerichte nicht ordnungsgemäß arbeiten, werden Sie zögern, hier zu investieren. Das dritte Problem ist eine Folge der beiden ersten: Korruption.

Nach dem Krieg wird die ukrainische Gesellschaft keines dieser Probleme mehr tolerieren. Wir haben seit Jahrzehnten – seit der Unabhängigkeit 1991 – darunter gelitten, aber nach dem Krieg ist Schluss damit. Die Ukraine hofft, der Europäischen Union beizutreten, und das bedeutet, dass sie die Anforderungen für die Mitgliedschaft erfüllen muss. Das beginnt damit, die Institutionen für den Schutz von Eigentumsrechten und das Gerichtssystem zu reparieren und die Korruption zu beenden. Wir werden in unserem Land ein viel besseres Investitionsklima haben.

MS: Was für Änderungen an Ihrem Steuersystem erwägen Sie?

OU: Der Präsident hat uns beauftragt, Möglichkeiten zu finden, die Steuern auf Investitionen deutlich zu senken.

MS: Warum ist die EU-Mitgliedschaft für die Ukraine so wichtig?

OU: Aus wirtschaftlicher Sicht ist sie extrem wichtig, denn sie bedeutet, dass wir Teil der weiteren europäischen Produktionskette sein können. Wir können unser Geschäftsklima verbessern, die Risiken reduzieren und mehr Investitionen anlocken. Das wird die Lebensqualität unserer Bevölkerung verbessern. Darüber hinaus würde ich sagen, dass das ukrainische Volk sich selbst als Teil Europas betrachtet. Und es möchte als europäisch anerkannt werden.

MS: Nehmen wir mal an, der Krieg ist zu Ende und Sie haben die drei historischen Herausforderungen, die Sie erwähnt haben, in Angriff genommen und auch die Steuern auf wirtschaftliche Investitionen gesenkt. Als ausländischer Unternehmenschef oder Investor könnte ich trotzdem noch nervös sein, was Investitionen in der Ukraine oder eine Ausweitung meines dortigen Geschäftsbetriebs angeht. Obwohl Russland besiegt wurde, habe ich womöglich Angst, dass es noch immer territoriale Ambitionen in der Ukraine hegt. Was würde die ukrainische Regierung sagen, um meine Bedenken auszuräumen?

OU: Ich würde zwei Dinge sagen. Erstens ist das der Grund, warum wir sicherstellen müssen, dass alle von uns vorgeschlagenen Sanktionen umgesetzt werden. Wir müssen sicherstellen, dass Russland nicht über die Mittel zur Finanzierung seiner Kriegsmaschinerie verfügt. Womöglich hat es noch immer den Willen, aber wenn es nicht das Geld hat, kann es das nicht tun.

Zweitens haben Sie, was die Risiken angeht, absolut Recht. Alle Investoren werden sich darüber noch für lange Zeit Sorgen machen. Darum müssen wir über die Arten von Kriegsversicherung nachdenken, die wir jedem in die Ukraine kommenden Investor bieten können.

MS: Falls ich also aufgrund einer weiteren Invasion Geld verlöre, wäre ich durch eine Versicherung abgesichert. Können Sie mehr darüber sagen, wie das funktionieren könnte?

OU: Man könnte hierfür die Gelder auf Treuhandkonten aus russischen Erdgasverkäufen nutzen. Da Russland nur einen Teil des Geldes auf diesen Treuhandkonten nutzen könnte, wären da noch reichlich Reserven. Sollte Russland erneut einmarschieren, könnte man die Investoren in der Ukraine durch Einsatz dieser Mittel entschädigen.

Im Schatten des Krieges

MS: Lassen Sie uns über die Wirtschaft hinausblicken. Sie sind ukrainischer Bürger, der in der Ukraine an einem geheim gehaltenen Standort lebt. Erzählen Sie uns etwas über Ihre Erfahrungen während der letzten Wochen.

OU: Alles ist schon zur Routine geworden. Wir wissen, was wir täglich tun müssen. Es gibt keine Unterschiede zwischen Wochentagen oder Wochenenden. Am schwierigsten ist, dass wir zwar sicher sind, dass die Ukraine den Krieg gewinnen wird, aber nicht wissen, wann das passieren wird.

In der Zwischenzeit sind wir nicht im Stande, unser Eigentum zu nutzen. Wir führen kein normales Leben. Wir können nicht ins Fitnessstudio oder auch nur normal Esswaren einkaufen gehen. Wir haben kaum Kleidungsstücke. Wir haben nur sehr grundlegende Nahrungsmittel – nichts Besonderes, sicherlich kein Essen im Restaurant. Alles ist sehr, sehr einfach. So leben derzeit alle in der Ukraine.

Und das ist nicht das Worst-Case-Szenario. Viele andere Leute wurden getötet, und es schmerzt sehr, wenn Sie diese Nachricht hören, wenn Sie mit Menschen reden und die Beweise sehen – die schrecklichen Fotos und Videos. Ihnen ist bewusst, dass Menschen ums Leben kommen. Was die Soldaten angeht: Sie schlafen auf den Feldern. Alles ist sehr schmerzhaft und sehr schwierig.

Unser erster Wunsch ist es, diesen Krieg zu gewinnen. Aber unser zweiter Wunsch ist es, Putins Regime zu bestrafen. Sie müssen einen Preis zahlen. Das ist die allgemeine Ansicht in der Ukraine. Nichts sollte vergeben werden. Nach allem, was wir durchgemacht haben, angesichts all der Beweise, die wir haben, müssen sie einen Preis bezahlen.

MS: Sie haben mir einmal erzählt, dass Sie früher gern im Wald spazieren gegangen seien. Warum können Sie das heute nicht mehr tun?

OU: Weil da Minen liegen, selbst im Wald. Wer weiß, wie viele Jahre es dauern wird, bis so simple Dinge wie ein Waldspaziergang wieder normal werden. So ist das leider. Das Gleiche gilt am Meer. In der ganzen Region Odessa und an den Stränden des Schwarzen Meeres sind Minen verstreut.

MS: Erzählen Sie mir etwas über die Stimmung unter der ukrainischen Bevölkerung.

OU: Alle warten nur auf Frieden. Sobald der Frieden in unser Land zurückkehrt, wird sich alles sofort ändern. Unsere Bevölkerung ist motiviert, das Land wieder aufzubauen, und sie arbeitet zusammen. Wir alle betrachten uns als geeinte Nation. Ukrainer, ukrainische Russen, ukrainische Weißrussen, ukrainische Juden – wir alle betrachten einander als eine geeinte Familie.

MS: Sie haben immer Zuversicht geäußert, dass die Ukraine den Krieg gewinnen wird. Warum?

OU: Wenn Putin imstande gewesen wäre, den Krieg zu gewinnen, dann hätte er das in den ersten paar Tagen getan. Aber er ist gescheitert. An diesem Punkt bezweifle ich, dass selbst er glaubt, er könne siegen. Und selbst wenn er noch immer diesem Irrglauben anhängt, bezweifle ich ernsthaft, dass seine Truppen es noch tun. Wir haben es im Internet gesehen, wo russisches Militärpersonal darüber diskutiert. Sie glauben nicht an ihre Chance auf einen Sieg.

Was den Geist der ukrainischen Bevölkerung angeht, so würde ich sagen, er ähnelt dem der Amerikaner. Unabhängigkeit ist Teil unserer DNA, und die russische Lebensart – was Demokratie, Freiheit, den Respekt für andere Menschen angeht – ist für uns inakzeptabel.

Die Herzen und Köpfe der Ukrainer sind das Erste, was Putin verloren hat – und das Wichtigste. Vorher war es möglich, bestimmte Ideen über russische Geschichte oder russische Kultur zu postulieren; jetzt nicht mehr. Jetzt hat er alle historischen oder kulturellen Ansprüche in Bezug auf die Ukraine verloren. Ich kenne viele Menschen, die sich weigern, sich noch irgendetwas anzusehen, was mit Russland zu tun hat – russische Spielfilme, russische Lieder, russische Gedichte oder russische Literatur. Putin hat die Ukrainer verloren, und das bedeutet, dass er letztlich den Krieg verlieren wird.

MS: Der ehemalige US-Präsident George W. Bush hat Selenskyj kürzlich als „den Winston Churchill unserer Zeit“ beschrieben. Stimmen Sie dem zu?

OU: Ja.

Aus dem Englischen von Jan Doolan

Wie sich mehr für die Ukraine tun lässt

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Kommentare 1
  1. Thomas Wahl
    Thomas Wahl · vor fast 2 Jahre

    Ich würde sagen, abkoppeln vom russischen Gas und Öl so schnell wie möglich und so langsam wie nötig. Schließlich wird der Krieg nur mit funktionierender Industrie und einer zustimmenden Bevölkerung zu gewinnen sein.

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