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Wie sich in Nordirland das Gefühl der Gesetzlosigkeit ausbreitet

Silke Jäger
Freie Journalistin und Texterin für Gesundheitsinfos

Ich lebe in Marburg und schreibe über Gesundheit, eHealth, Gesundheitspolitik und den Brexit. Für: Krautreporter, Gute Pillen – Schlechte Pillen und RiffReporter. Non-Profit-Projekt: Podcast http://evidenzgeschichten.podigee.io/

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Silke JägerDonnerstag, 15.03.2018

Was verbirgt sich eigentlich hinter der Phrase "zerbrechlicher Friedensprozess", die im Zusammenhang mit Nordirland öfter benutzt wird? Was heißt zerbrechlich konkret?

Ein ziemlich schockierendes Beispiel erzählt der Guardian in mehreren Beiträgen. In nordirischen Communities sind auch nach der Entwaffnung der sich bekriegenden Gruppen paramilitärische Einheiten unterwegs. Sie haben eine Art Lynchjustiz etabliert: Wer sich nicht konform verhält, muss damit rechnen, dass er bestraft wird. Das heißt, es kann ihm passieren, dass ihm auf offener Straße in die Beine geschossen wird. Von Leuten aus seiner eigenen Community. Für Vergehen wie Drogendealen.

Diese Vorfälle hat es seit dem Karfreitagsabkommen immer wieder gegeben. Einige wenige pro Jahr. In den letzten vier Jahren haben sie jedoch zugenommen. Von 64 im Jahr 2013 auf 101 im letzten Jahr. Im Februar 2018 gab es besonders viele "Bestrafungen", auch mit tödlichem Ausgang. Die Opfer sind meist junge Männer aus Arbeiterfamilien. Einige sind noch minderjährig.

Das Unvorstellbare: Manche der Jugendlichen werden den paramilitärischen Gruppen von ihren eigenen Familien übergeben. Zum Teil mit Schmerztabletten vollgestopft und alkoholisiert, damit sie die Bestrafung besser überstehen. Wie man mit so etwas lebt, erzählt ein Dokumentarfilm, der am Wochenende in Kopenhagen gezeigt wird. Er begleitete eine Mutter und ihren Sohn 5 Jahre lang, nachdem ihm in die Beine geschossen wurde.

Der Gipfel ist dann, dass die Polizei von all dem zu wissen scheint. Und nicht viel unternimmt. Und sowieso: Das Interesse an den nordirischen Problemen ist in England nicht besonders ausgeprägt. Diesen Eindruck bekommt man nicht nur, wenn man sich die große Politik anschaut, sondern auch bei diesen erschütternden Geschichten.

Das Gefühl, dass es kein Gesetz gibt, dem man sich verpflichtet fühlen sollte – es sei denn, es ist selbstgemacht – nimmt in den vergessenen Regionen zu. So sieht dann der "zerbrechliche Friedensprozess" aus.

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