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Europa

Was ist von Chinas 12-Punkte-Friedensplan zu halten?

Jürgen Klute
Theologe, Publizist und Politiker
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Jürgen KluteSamstag, 25.03.2023

Am 1. Jahrestag des russischen Überfalls auf die Ukraine, am 24. Februar 2023, hat die chinesische Regierung ein 12-Punkte-Papier vorgelegt, in dem sie Eckpunkte für eine Beendigung des Krieges benennt. Es wurde im Westen überwiegend mit Skepsis aufgenommen. Ein häufig zu lesender Einwand ist, dass die chinesische Seite nicht unparteiisch, nicht neutral sei. Das ist ohne Zweifel richtig. Aber welcher von den in Frage kommenden Staaten, die über ausreichend politischen und militärischen Einfluss verfügen, um auf Russland Einfluss nehmen zu können, wäre neutral? Die USA und die Nato sind ebenso parteiisch wie China. Neutralität und Unparteilichkeit zum Kriterium für eine glaubhafte Vermittlerrolle in diesem Krieg zu machen, ist also wenig zielführend, weil es keine relevanten Akteure in diesem Konflikt gibt, die neutral oder unparteiisch sind. Politik heißt in einem solchen Kontext, die Packenden zu finden, die sich zu einem für alle direkt Beteiligten zu einem akzeptablen und tragfähigen Interessensausgleich zusammenbinden lassen.

Daher halte ich es für sinnvoll, sich die Vorschläge der chinesischen Regierung genauer anzuschauen und nach möglichen Anknüpfungspunkten zu suchen, die Perspektiven für eine Beendigung des Krieges und die Entwicklungen eines langfristig tragfähigen Friedensvertrages eröffnen.

In den letzten zwei Wochen sind mir vier Artikel aufgefallen, die in die von mir gezeigte Richtung denken und argumentieren. Die will ich hier kurz vorstellen und zur Lektüre empfohlen.

Da ist zunächst die Empfehlung, auf die sich dieser Piq unmittelbar bezieht: Eine detaillierte und differenzierte Analyse des chinesischen Papiers, veröffentlicht von Felix Wemheuer, Sinologe an der Universität Köln, in der Luxemburger Zeitung WOXX. Wemheuer arbeitet sehr genau die Stärken und Schwächen des chinesischen Papiers heraus.

Der zweite Artikel erschien am 18.03.2023 in der taz unter dem Titel „China ist in einem Dilemma“, geschrieben von China-Experte Cheng Li. Für Li leidet auch China unter diesem Krieg und ist durchaus an dessem Ende interessiert. Allerdings, so legt Li dar, hat China eher ein Interesse an einer multipolaren Weltordnung und von daher eben kein Interesse an einer zu weitgehenden Schwächung Russlands bei einer gleichzeitig starken erneuten Zunahme einer globalen Dominanz der USA. Zwischen diesen Polen sucht China nach Li’s Einschätzung nach einer politischen Lösung des jetzigen Krieges zwischen Russland und der Ukraine.

Am 21.03.2023 veröffentlichte die Frankfurter Rundschau ein Interview mit Wolfgang Ischinger, dem früheren Chef der Münchner Sicherheitskonferenz. Überschrieben ist das Interview mit dem Titel „Wolfgang Ischinger: Für China ist es nützlich, wenn der Ukraine-Krieg andauert“. Dieser Titel klingt allerdings negativer als Ischinger dann im Interview klingt:

„Ich hielt und halte es für einen strategischen Fehler, Chinas Papier vom Tisch zu wischen. Unter den vorgelegten zwölf Punkten finde ich exakt einen, den der Westen tatsächlich ziemlich kategorisch ablehnen muss. Das ist der Punkt, in dem China sagt: Sanktionen sind so lange illegal, wie sie nicht vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mandatiert sind. Da beißt sich die Katze in den Schwanz, denn dann müsste Russland gegen sich selbst Sanktionen erlassen. In allen anderen elf Punkten ist meines Erachtens hinreichend viel Fleisch am Knochen, um in ein Gespräch mit der chinesischen Seite einzusteigen.“

Ischinger sieht zwei wesentliche Probleme auf Seiten des Westen. Zum einen hält er die EU bislang für unzureichend vorbereitet auf die Zeit nach einem Ende der Kampfhandlungen. Und in den USA sieht er einen Mangel an einem konstruktiven Umgang mit China.

Und schließlich möchte ich noch auf einen interessanten Text zu Clausewitz hinweisen – also zu dem nicht ganz unbekannten preußischen Kriegstheoretiker. Es ist ein Essay von Christian Th. Müller in der taz vom 23.03.2023: „Krieg in der Ukraine: Frag mal Clausewitz“. Müller ist außerplanmäßiger Professor für Neuere Geschichte an der Universität Potsdam und hat sich sich in seiner bisherigen Forschungsarbeit intensiv mit Clausewitz und seiner Theorie zum Krieg befasst.

Auf dem Hintergrund der Theorie von Clausewitz analysiert Müller die derzeitige Debatte um den Ukraine-Krieg. Sein Hauptkritikpunkt: Für einen Krieg seien keineswegs die einzelnen Waffengattungen und Waffenlieferungen, die seit Beginn des Krieges im Zentrum der Debatten im Westen stehen, entscheidend, sondern entscheidend sei vielmehr das politische Ziel und die (sicherheits-)politische Strategie, die mit einem Krieg verbunden sind und den Krieg prägen. Für Müller mangelt es dem Westen aber genau daran. Er fasst seinen Essay mit den folgenden Sätzen zusammen:

„Das reicht sicherlich nicht aus, um Kriege zu gewinnen. Aber es bietet gute Voraussetzungen dafür, schwerwiegende strategische Fehler und deren nicht selten gravierenden Folgen zu vermeiden. Seine wohl wichtigste Erkenntnis ist aber die der umfassenden politischen Bedingtheit eines jeden Kriegs. Kriege sind dabei nicht nur politische Akte, sondern sie werden auch durch die ihnen zugrunde liegenden politischen Verhältnisse und Motive geprägt.

Der entscheidende Gesichtspunkt bei ihrer Betrachtung ist daher immer der politische. Ohne den Krieg zunächst politisch zu denken, die politischen Verhältnisse zu analysieren und die politischen Zwecke festzulegen, ist die Entwicklung einer Strategie, die zum gewünschten politischen Ergebnis führt, logischerweise nicht möglich.

Mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet dies, dass es höchste Zeit ist für eine umfassende Debatte darüber, wie dieser Krieg beendet und wie die sicherheitspolitische Ordnung in Osteuropa sowie das Verhältnis zu Russland künftig gestaltet werden soll.“

Müller geht zwar auf das chinesische 12-Punkte-Papier nicht ein. Aber in den von Müller benannten zentralen Punkten scheint das chinesische 12-Punkte-Papier sich von der westlichen Betrachtungsweise des Krieges deutlich abzusetzen: Es denkt diesen Krieg politisch, begreift ihn als "politischen Akt". Auch die Argumentation von Ischinger unterstreicht diesen Unterschied. Demnach läge die Chance und die Stärke des chinesischen 12-Punkte-Papiers darin, den Krieg wieder als "politischen Akt", den Krieg wieder in seiner politischen Dimension zu begreifen. Für die von vielen zu recht geforderte politisch-diplomatische Beendigung des Krieges wäre das eine fundamentale Voraussetzung: Wer den Krieg nicht politisch, nicht als "politischen Akt" denken kann, kann ihn schlecht politisch-diplomatisch beenden.

Zum Weiterlesen: Am 25.02.2023 habe ich einen Piq zu den russischen Reaktionen auf Chinas 12 Friedensvorschläge veröffentlicht.

Was ist von Chinas 12-Punkte-Friedensplan zu halten?

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Kommentare 4
  1. Eric Bonse
    Eric Bonse · vor einem Jahr

    Wichtige und gute Analyse!

    1. Jürgen Klute
      Jürgen Klute · vor einem Jahr

      Dank je wel!

  2. Hermann J. F. König
    Hermann J. F. König · vor einem Jahr

    Ich bin Herrn Klute dankbar, dass er nicht, wie die meisten Politiker und Medien China im USA- Muster denkt, sondern die berechtigten unterschiedlichen Grundlagen differenziert darstellt.

    1. Jürgen Klute
      Jürgen Klute · vor einem Jahr

      Danke. Ja, für einen Ausweg aus dem Krieg scheint mir eine differenzierte Betrachtung unumgänglich. Diplomatie bedeutet ja, ein Gefühl für Zwischentöne zu entwickeln und damit ein Gespür dafür, um welche Interessen gestritten wird und wo Ansätze für einen Interessenausgleich erkennbar werden.

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