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Unsere nervöse Demokratie in der Krise?

Thomas Wahl
Dr. Phil, Dipl. Ing.
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Thomas WahlMontag, 04.01.2021

Geht eine lange Phase des demokratischen Fortschritts zu Ende? Zumindest scheint Demokratie nicht automatisch zu klügeren Bürgern, zu weniger oder moderaterem Streit und mehr Stabilität zu führen. Die Einschätzungen zum Zustand unserer Gesellschaft gerade in Zeiten der Pandemie könnten kaum kontroverser sein. 

Gilt sie den einen als verschleierte Diktatur, die nach Gutdünken Grundrechte einschränkt, wünschen sich andere, mit einem Blick nach Ostasien, mehr Disziplin und politische Strenge. Je länger die tiefgreifende Verunsicherung anhält, wie es weitergeht, umso nervöser wird die Gesellschaft, ...

Aber ab wann ist eine Beunruhigung, sind kontroverse Ansichten und erbitterte politische Kämpfe eine Krise? Ist nicht Streit auch oder gerade in der Demokratie die Mutter des Fortschritts? Rainer Forst, Professor für Politische Theorie und Philosophie, widmet sich dieser Frage wie folgt:

In Bezug auf politische Ordnungen sollte von einer Krise erst dann gesprochen werden, wenn Umstände vorliegen, die die Beibehaltung der alten Ordnung unmöglich machen, ohne dass die Konturen einer neuen in Sicht wären. Die Krise markiert, wie Friedrich Schleiermacher es formulierte, die „Grenze zwischen zwei verschiedenen Ordnungen der Dinge“. 

Er unterscheidet dabei zwischen zwei wesentlichen Typen von Krisen -  „Strukturkrisen“ und „Rechtfertigungskrisen“. 
Erstere liegt vor, wenn eine Ordnung strukturell nicht mehr in der Lage ist, ihre Aufgaben zu erfüllen und stagniert oder gar regrediert. Letztere besagt, dass das Selbstverständnis der Ordnung verloren geht, ihr sozusagen ihr eigener Begriff verrutscht.

In diesem Sinne ist die Pandemie selbst keine Krise, sondern eine Herausforderung für die Demokratie. So weit würde ich folgen. 

Der Demokratie ist der Krisenmodus nicht fremd, sie lebt vielmehr davon, soziale Blockaden vermittels kollektiver Verständigungsprozesse zu überwinden. Es geht ihr darum, eine Organisation des gemeinsamen Lebens zu schaffen, in der alle Beteiligten nicht nur Adressaten allgemein gerechtfertigter Normen, sondern auch Autoren solcher Normen sind.

Sicher richtig ist auch, dass sich die demokratische Qualität eines Systems u.a. an der Rechtfertigungsqualität seiner Institutionen und Gesetze erweist. Eine Demokratie darf also auch in Situationen wie der aktuellen Pandemie nicht auf  öffentliche Rechtfertigung staatlicher Maßnahmen verzichten. Und Demokratie ist letztendlich ein kompliziertes Wechselspiel zwischen den Bürgern sowie zwischen Regierungen, Institutionen und Bürgern:

Demokratische Regression ist aber nicht nur bei solchen akuten Fällen von Realitätsverweigerung anzutreffen. Auch dort, wo Bürger und Bürgerinnen sich in Untertanen verwandeln, die Befehle, Verbote und schließlich Aufhebungen von Hausarrest lieben, geht das für die Demokratie essenzielle Bewusstsein verloren, dass wir selbst es sind, die einander Gründe für die für alle geltenden rechtlichen Normen und sozialen Verhaltensweisen schulden. 

Demokratien sollten sicher keine Instrumente für die egoistische Interessensdurchsetzung von Mehrheiten sein. Aber sie funktionieren eben auch nicht als Ideal, sondern mit den wirklich agierenden Menschen, die das o.g. "essentielle Bewusstsein" nicht internalisiert haben. Anders gesagt, es ist nicht "die Demokratie" die bereit ist z.B. 

angebliche „Gesetze“ der Märkte so zu ändern, dass die sozialen und ökonomischen Verhältnisse wahrhaft allgemein zu rechtfertigen sind.

Es sind die wirklichen Bürger dieser Demokratie, die entscheiden müssen was ihre Interessen oder "angebliche" Marktgesetze sind und ob man diese ändern soll. Und es ist der historische Prozess, in dem sich dann erweist, ob das richtig war oder nicht. Es sind also nicht "Philosophen", die als Schiedsrichter einer Demokratie von außen vorschreiben können, was demokratisch oder gar möglich ist. Etwa mit der folgenden Feststellung:

Wenn es möglich war, im Angesicht der Pandemie so stark in die Ökonomie einzugreifen, muss dies im Sinne des Gemeinwohls und der Gerechtigkeit weiterhin möglich sein. 

Das ist weder logisch richtig noch nach allen Erfahrungen. Erstens ergibt sich aus der Tatsache, das ein kurzfristig notwendige erscheinender Eingriff in Krisensituationen möglich war nicht, dass er langfristig möglich und gar erfolgreich sein muss. Und zweitens ergibt sich der Erfolg von "müssen" in sozial-ökonomischen Prozessen nicht aus dem Denken sondern aus den Randbedingungen sowie dem konkreten Handeln der vielen Millionen Bürger. Zukunft bleibt offen ...
Unsere nervöse Demokratie in der Krise?

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