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Europa

Michail Chodorkowski – Wie man einen Drachen tötet

Thomas Wahl
Dr. Phil, Dipl. Ing.
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Thomas WahlMontag, 20.02.2023

Seit dem brutalen Überfall sollte es eigentlich auch dem Letzten klar geworden sein, ein friedliches Europa, eine friedliche Welt ist mit Putin oder ähnlich tickenden Nachfolgern in Russland kaum möglich.

Doch wie kann ein totalitäres Regime beendet werden? Durch wen? Eher von innen oder von außen? Gibt es überhaupt eine Chance auf einen einigermaßen friedlichen Machtwechsel? Und wer käme dann in Russland an die Macht – und wie würde diese aussehen? Diese drängenden Fragen werden nicht nur von Politikern und Entscheidungsträgern gestellt, sondern im Grunde von allen freiheitsliebenden Menschen  ……

Ex-Oligarch Michail Chodorkowski schreibt dazu eine Art Revolutions-Leitfaden. Denn ohne einen völligen Neuanfang wird es nicht gehen. Und der sollte möglichst schnell gehen – in fünf Schritten:

Vom notfalls notwendigen Rückzug ins Ausland und der entscheidenden Bedeutung der Kommunikation zwischen den „Aufständischen“, bis zur gezielten Blockade von Gefängnissen und Polizei und zur taktischen Frage, wann zum Protest auf die Straße gerufen werden soll. Wer das tue, müsse „den Angriff selbst leiten und dies nach allen Regeln der Revolution und Kriegsführung“ …

Man müsse verhindern, dass „Menschen sinnlos unter die Polizeiknüppel“ kommen. Dazu nötig wären unter anderem:

  • eine konstituierende Versammlung
  • die Anpassung der Verfassung an die demokratischen Prinzipien
  • ein Wechsel von rechtswidrigen zu rechtmäßigen Gesetzen
  • die Abhaltung freier Wahlen zu neuen Machtorganen

Offensichtlich glaubt Chodorkowski, dass sein Konzept eines neuen, offenen Russlands mit starker Zivilgesellschaft die Mehrheit der Russen überzeugen kann. Er ist wohl ein wahrer Optimist?

Zuvor gilt es aber den eigentlichen Drachen zu erlegen, den Chodorkowski ja noch aus eigener Anschauung kennt. In der Rezension der WELT zum Buch heißte es:

Jede Provisorische Regierung wird sich in den ersten Tagen vor dem ungeheuren Problem sehen, den „Mann mit dem Gewehr“ – oder wie man heute zu sagen pflegt: die Gewaltorgane, d. h. Polizei- und Sicherheitsorgane – unter Kontrolle zu bekommen. Mittlerweile sind sie in ein geschlossenes System gesperrt, in dem jeder den anderen beobachtet und Putin persönlich sie alle zusammen.

Mit dem Wegfall Putins – sei es durch Tod oder Sturz – wird wahrscheinlich das System zerbrechen. Die vielen bewaffneten und meist straff organisierten Gruppierungen stehen vor der Frage, ob sie die provisorische Regierung anerkennen, sich der Reaktion anschließen oder selbst um die Macht kämpfen sollen. Wenn ich an Kadyrow denke oder die Wagner-Gruppe, die verschiedenen Geheimdienste und die Armee, dann liegen Putschversuche und Bürgerkrieg durchaus nahe.

Laut Chodorkowski muss man mit einer chaotischen Phase von bis zu zwei Jahren rechnen. Inklusive einem dramatischen „Absturz“ von Wirtschaft und Politik. Was die Gefahr nahelegt, dass die provisorische Regierung selbst zu diktatorischen Mitteln greifen müsste. Um das als Dauerzustand zu verhindern und die Sympathien der Menschen zu gewinnen 

schlägt der einstige Privatisierungsgewinner vor, den Bürgern Einnahmen aus Russlands Ressourcenverkäufen auf individuelle Sparkonten zu überweisen - und „parasitäres Kapital des Putins-Clans“ zu enteignen und in Fonds zum Wohle der Allgemeinheit zu stecken. Von „ungerechten Privatisierungen“ schreibt Chodorkowski gar. Eingriffe bei Erbschaften schwerreicher Russen hält er für einen weiteren Hebel in einem Russland, das „exzessiven Konsum“ nicht „unanständig“ finde.

Bleibt das Problem des Ukraine-Krieges, den Chodorkowski klar verurteilt. Dort weiter auf den Sieg zu setzen wäre „verbrecherisch und amoralisch“, mahnt er Putins potenzielle Nachfolger. Er sieht aber auch die Gefahr eines gedemütigten Russlands. Hohe Reparationsforderungen und demütigende Beschränkungen könnten einen Zerfall der Föderation einleiten. Was für eine progressive Regierung zum Problem würde, in dem dabei Nationalradikale und sonstigen Populisten gestärkt würden. Wir kennen das aus der Weimarer Republik. 

Eines macht Chodorkowski in seinem schmalen Buch sehr klar: Mit einem Abgang Putins alleine wäre Russland seiner Meinung nach nicht gerettet. „Kein Diktator ist unsterblich. Doch Putinismus, Stalinismus und Autokratie werden Russland immer wieder von Neuem heimsuchen, solange die gesellschaftspolitischen und institutionellen Voraussetzungen dafür bestehen“, betont er.

Das also ist die eigentliche Aufgabe, jahrhundertealte Traditionen und Narrative zu brechen sowie neue dagegenzusetzen. Wie die WELT zum Buch bemerkt:

Alle heute lebenden Generationen und Dutzende vor ihnen haben nie etwas anderes gekannt als das Imperium und nie eine andere Form der politischen Existenz in Betracht gezogen. 

Und wenn das Imperium wankte, dann brachen Zeiten von Hunger, Elend und Bürgerkrieg an. Der Weg vom Imperium bzw. vom Aufhalten seines Zerfalls hin zu einem demokratischen Nationalstaat ist eine fundamentale, zivilisatorische Transformation.

Michail Chodorkowski – Wie man einen Drachen tötet

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