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Europa

Eurasien – die andere Utopie für Europa?

Thomas Wahl
Dr. Phil, Dipl. Ing.
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Thomas WahlMontag, 02.11.2020
Der Begriff Eurasien wurde in jüngster Zeit wieder populär, insbesondere durch Putin und den Neo-Eurasisten und Nationalbolschewisten Alexander Dugin propagiert, als Alternative zur europäischen Idee. Eurasien ist nicht nur ein geografisch-geologischer Begriff zur Bezeichnung unseres Großkontinentes aus Asien und Europa. Hierbei handelt es sich auch um eine Idee, eine Utopie, eine Bewegung, die vor etwa 100 Jahren entstanden ist, die aber nie die Bedeutung der Utopie von der Abschaffung des Privateigentums und der Verstaatlichung aller Produktionsmittel erreichte. Ebenso wenig wie den Einfluss der dann beinahe gelungene Vision von der Errichtung einer rassisch geprägten „Neuen europäischen Ordnung“. Vielleicht verstehen wir die Gegenwart etwas besser, wenn wir uns noch mal in diese Zeit und ihre Ideenwelt zurückversetzen? Erschreckend für mich, wie wenig neu viele unserer heutigen Ideen und Konflikte sind. 
Ein Ursprung der eurasischen Idee geht auf die 1920 in der Emigration veröffentlichte Schrift „Europa und die Menschheit“ des berühmten russischen Sprachwissenschaftlers Nikolaj Trubetzkoy zurück. Es ist eine radikale Kritik am europäischen Sendungsgedanken, den die Europäer laut Trubetzkoy vom alten Rom übernommen haben.
Der Gegensatz zwischen „Europa“ und dem Rest der Menschheit stellt für Trubetzkoy den Grundkonflikt der Epoche dar, wobei Trubetzkoy „Europa“ mit Westeuropa gleichsetzt. Die Europäer hielten sich für die Krönung der Schöpfung und diese beispiellose Egozentrik werde von ihnen nicht einmal reflektiert, so Trubetzkoy. Europäisch werde mit universal gleichgesetzt. Die außerordentliche Selbstüberzeugtheit der Europäer verunsichere alle anderen Völker der Welt, die ihre eigenen Werte zu missachten begännen, da diese sich von der europäischen unterschieden. Daher bleibe bei den Nichteuropäern ständig das Gefühl der eigenen Rückständigkeit bestehen: „Rückständigkeit ist das unentrinnbare Gesetz der Völker, die sich auf den Weg der Europäisierung begeben“, setzt Trubetzkoy seine Gedankengänge fort.
Im Grunde waren die Eurasier Revolutionäre und Traditionalisten zugleich. Sie träumten (wie auch die Verfechter der unseligen deutschen „konservativen Revolution“ in der Weimarer Zeit) von der Zerstörung der westlichen Hegemonie und der von ihr geprägten zivilisatorischen Werte. Dem setzten sie die Eigenwerte der nichteuropäischen Kulturen entgegen – insbesondere die russische Kultur. Sie glaubten also nicht wie die Bolschewiki an eine Art universellen Charakter der westlichen Kultur. So schrieb etwa Lenin kurz vor dem Ersten Weltkrieg über den asiatischen Befreiungskampf ganz anders:
Heißt das vielleicht, dass der materialistische Westen verfault ist und das Licht nur aus dem mystischen, religiösen Osten leuchte? Nein, gerade umgekehrt. Das heißt, dass der Osten endgültig den Weg des Westens betreten hat, dass neue Hunderte und Aberhunderte Millionen Menschen jetzt am Kampfe für die Ideale teilnehmen, zu denen sich der Westen durchgekämpft hat. Verfault ist die Bourgeoisie des Westens, vor der schon ihr Totengräber steht – das Proletariat.

Bei der eurasischen Utopie, handelte es sich also um einen ganz anderen Umsturz:

Der Kulturrevolution, für die die Eurasier plädierten, war das futuristische Pathos der bolschewistischen Revolution fremd. Ihr „Goldenes Zeitalter“ lag nicht in der „lichten Zukunft“, sondern in der Vergangenheit.

Letztendlich ging es um eine Synthese der Völker Eurasiens zu einer neuen eurasischen Nation. Was den Gedanken einer europäischen Union geradezu mickrig und unterkomplex erscheinen lässt. Aber wie das so ist:

Indes herrschen in der Welt der Ideen eigentümliche Gesetze, die immer wieder Überraschungen bereit halten. Die Ende der 1930er Jahre scheinbar endgültig in der Versenkung verschwundenen eurasischen Ideen sollten fünfzig Jahre später eine völlig unerwartete Renaissance erleben.

Und so müssen wir uns fragen, welche Herausforderungen stehen heute vor uns, mit unseren europäischen Normen und Werten? Wie universalistisch sind diese aus sich heraus wirklich? Wie gut funktioniert so gedachte Demokratie in ärmeren Ländern mit anderen Traditionen? Wie ist es mit einer nachholenden Entwicklung dort, wenn man den wohlhabenden und sich universalistisch verstehenden Westen stets vor Augen hat? Und nicht zuletzt, wie wird sich der demokratische Westen in den Herausforderungen des Klimawandels und gegenüber dem chinesischen Modell bewähren?

Eurasien – die andere Utopie für Europa?

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