Es ist eine rührende Weihnachtsreklame. Ihr Titel: "Was suchst du Weihnachten?" Binnen eines Monat wurde sie 13 Millionen Mal angeklickt. In dem Werbespot des polnischen Internet-Versandhandels Allegro entschließt sich ein älterer Herr Englisch zu lernen, um mit seiner Enkelin sprechen zu können, der Tochter seines Sohnes, der nach Großbritannien ausgewandert ist und dort geheiratet hat. Die Geschichte hat einen traurigen Hintergrund, den die meisten Polen und überhaupt die meisten Osteuropäer aus persönlicher Erfahrung nur allzu gut kennen: Millionen von Menschen aus diesen Ländern arbeiten in Westeuropa, Millionen von Familien sind zerrissen, meistens leben die gefühlt provisorisch und real oft endgültig Ausgewanderten unter prekären Bedingungen, damit sie Geld nach Hause schicken können. Dort, zuhause, gibt es ganze Landstriche, in denen fast nur noch Alte und Kinder leben, die den Kontakt zu ihren Eltern über Skype halten. Schätzungsweise 20 Millionen Menschen sind aus mittel- und südosteuropäischen Ländern seit 1990 abgewandert, Spitzenreiter sind zahlenmäßig Rumänien und Polen, anteilmäßig ist es die Republik Moldau, wo mehr als die Hälfte der Menschen im Erwerbsalter im Ausland arbeitet. Was die Langzeitfolgen sind, wenn ganze Generationen allein aufwachsen oder vereinsamen, wenn ganze Länder intellektuell langsam ausbluten, ist noch kaum abzusehen. Im Allegro-Werbspot kommt all das natürlich nicht zur Sprache - doch trotz Happy End wird die Tragik der Völkerwanderung von Ost nach West deutlich.