Die meisten Persönlichkeiten und Helden des Revolutionsjahres 1989 spielen heute keine politische Rolle mehr und treten öffentlich kaum noch in Erscheinung, viele sind sogar in Vergessenheit geraten. Eine der Ausnahmen ist in seinem Land der ungarische Philosoph Gáspár Miklós Tamás, der Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre einer der Architekten des Systemwechsels in seinem Land war. Er ist zwar schon lange nicht mehr als Politiker aktiv, doch er mischt sich mit scharfsinnigen Essays und Kommentaren regelmäßig, oft fast täglich, in die politischen, sozialen und wirtschaftlichen Angelegenheiten seines Landes ein. Häufig spricht er auf regierungskritischen Kundgebungen und in Interviews in unabhängigen Medien. Seine Gelehrsamkeit und Bildung sind in Ungarn seit Jahrzehnten legendär. Und: er gehört - auch bei denen, die seine heute radikal linken Ansichten nicht teilen - zu den am meisten respektierten und wahrgenommenen Stimmen im Land, wo man ihn einfach unter seinen Initialen kennt: TGM. Tamás hat einen ungewöhnlichen Lebensweg, und er ist sich auf diesem Weg in - oder eben wegen - all seiner Wandlungen bemerkenswert treu geblieben. Heute ist Tamás 70 Jahre alt geworden. Anlässlich dessen habe ich eine Würdigung geschrieben, aus der man sicher Bewunderung und tiefen Respekt für diesen alten Freund und Genossen herauslesen wird, den zu treffen ich das Privileg zum ersten Mal vor mehr als dreißig Jahren hatte. Dieser Bewunderung und diesem Respekt ist meine heutige Empfehlung geschuldet.