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Wörter als Waffe: Ein Interview über das Fluchen

Natalie Mayroth
Journalistin & Kulturwissenschaftlerin
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Natalie MayrothSonntag, 20.09.2020

Flucht man heute eigentlich noch? Oder wurde das größtenteils durch (wüste) Beschimpfungen ersetzt? Ich erinnere mich zumindest, in meiner Kindheit so einiges an Flüchen von Erwachsenen gehört zu haben... Das Interview mit dem niederbayerischen Schimpfwortforscher Reinhold Aman, Autor des Bayrisch-Österreichisches Schimpfwörterbuch, der mittlerweile verstorben ist, bringt etwas Licht ins Dunkel und auch in meine Erinnerungen. „Kruzifix Sakrament Hallelujah, Kruzifix" kommt mir dann doch sehr bekannt vor (ich komme aus Bayern). Doch woher kommt es, das Fluchen?  

Flüche und Beschimpfungen gibt es, seitdem es Menschen gibt. Wir haben natürlich keine schriftlichen Belege, wie die Neandertaler vor 100.000 Jahren schimpften. Das erste mir bekannte Schimpfwort ist »Hund«, das in einem Gedicht in der altindischen Rigveda vorkommt, die vor rund 3.000 Jahren entstanden ist. Ungefähr ebenso alt sind ägyptische Flüche, da wurde zum Beispiel gedroht: »Ein Esel soll dich vögeln!« Diese Beschimpfung wird noch heute in arabischsprachigen Ländern benutzt.

Aman untersuchte die Schimpfkultur (Malediktologie). Es gibt aber auch andere Forscher wie Maximilian Oettinger, die sich auf die Fluchpraxis in der christlichen und jüdische Religion spezialisiert haben. Oettinger stellt heraus, dass der Fluch eine Strafe sein soll. Auch Aman rezitiert gleich zu Beginn des Interviews einen alten jiddischen Fluch, der viel mehr an eine Metapher erinnert als zunächst an eine Beleidigung: »Drei Schiffsladungen voll Gold sollst du erben, aber es soll dir nicht reichen, um deine Arztrechnungen zu begleichen!« Und ergänzt später: 

Von den vielen Völkern und Gruppen, die ich in den letzten 45 Jahren untersucht habe, sind die osteuropäischen Juden Weltmeister im Fluchen. Und zwar aus zwei Gründen: Erstens wurden sie jahrtausendelang verfolgt und hatten im Gegensatz zu den heutigen Israelis keine Waffen, um sich zu verteidigen, deshalb haben sie Wörter als Waffe benutzt. Zweitens kann Jiddisch seine verbale Munition aus drei Sprachgruppen schöpfen: aus dem Deutschen, den slawischen Sprachen und dem Hebräisch-Aramäischen. Dazu kommt viel Intelligenz und Scharfsinn.

... aber auch über den psychologischen Aspekt: Wir ärgern uns und der Ärger muss raus. Was für mich aber kein Grund ist, dass nach Aman am häufigsten die „Mutter des Gegners / Gegnerin beleidigt, dann seine Schwester, dann der Vater und verstorbene Familienmitglieder daran glauben müssen. Immerhin: „Im Deutschen sind Mutter-Beleidigungen unbekannt, es gibt sie höchstens vielleicht indirekt, »Hurensohn«. Dagegen sind sie im Russischen, Italienischen und Spanischen gang und gäbe." Wer mehr über Flüche wissen will, einfach weiterlesen. Persönlich würde mich noch die Sichtweise einer Sprachforscherin interessieren, die den Hang zu sexistischen Beleidigungen auseinandernimmt. 



Wörter als Waffe: Ein Interview über das Fluchen

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Kommentare 8
  1. Cornelia Gliem
    Cornelia Gliem · vor mehr als 3 Jahre

    fluchen statt beschimpfen bzw. umgekehrt - interessante Unterscheidung

  2. Achim Engelberg
    Achim Engelberg · vor mehr als 3 Jahre

    Danke!

    "Ich lasse dich durch meinen Hund verachten!"
    Diesen Spruch von Marcus Opa im Kommentar merke ich mir.

    "Besser einander beschimpfen als einander beschießen", soll Winston Churchill gesagt haben.

    Begann damit die "Zivilisation"?

  3. Thomas Wahl
    Thomas Wahl · vor mehr als 3 Jahre · bearbeitet vor mehr als 3 Jahre

    .... und der jüdische Witz erst mal. Wäre auch eine Untersuchung wert.

    1. Natalie Mayroth
      Natalie Mayroth · vor mehr als 3 Jahre · bearbeitet vor mehr als 3 Jahre

      Das ist mir auch aufgefallen, vielleicht liegt es am Bayerischen? Zum Thema Jiddisch kann ich diesen Beitrag noch empfehlen: https://taz.de/Antisem...

    2. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 3 Jahre

      @Natalie Mayroth Oh danke. Ich kenn die Begriffe noch aus dem alten Ostberlin. Ob die im Artikel genannten negativen Konnotation wirklich stimmen, da würde ich streiten. Ist aber wohl müßig. Leider ist ja auch die Generation, die noch das Jiddische halbwegs sprach (und die Witze erzählte) gegangen .....

  4. Marcus von Jordan
    Marcus von Jordan · vor mehr als 3 Jahre

    wunderbar...
    mein Großvater pflegte in Erregung zu sagen "ich lasse dich durch meinen Hund verachten!"

    1. Natalie Mayroth
      Natalie Mayroth · vor mehr als 3 Jahre

      🙈

    2. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 3 Jahre

      Super Spruch. Nur in Erregung fällt einem so was gerade nicht ein.

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