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Volk und Wirtschaft

Wie unsere Zukunft wird – oder auch anders

Thomas Wahl
Dr. Phil, Dipl. Ing.
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Thomas WahlDienstag, 01.12.2020

Wie denkt man Zukunft? Gerade in Zeiten vielfacher Probleme, die von allen als Krisen empfunden werden, lohnt es sich unsere Vorstellungen von dem Kommenden zu hinterfragen. Das versucht Christian Geulen in diesem Artikel.

Terro­rismus, Klima­wandel, Europa, Finanz­krise, Rechts­po­pu­lismus, Demo­kra­tie­krise, Migra­tion, Digi­ta­li­sie­rung, Corona. Was sie gemeinsam haben, ist unsere kaum hinter­fragte Bereit­schaft, sie nicht nur als Heraus­for­de­rungen unserer Zeit, sondern als Heraus­for­de­rungen der Zukunft zu denken. Selten werden sie poli­tisch und öffent­lich disku­tiert, ohne diese Verant­wor­tung unseres jetzigen Handelns für den Rest des Saeculums zu unter­strei­chen. Über­haupt ist immer häufiger zu lesen und zu hören, dass über das 21. Jahr­hun­dert ‚jetzt‘ oder zumin­dest in den anste­henden ‚Zwan­ziger Jahren‘ entschieden werde.

Gegen ein solches Verant­wor­tungs­be­wusst­sein ist natürlich zunächst nichts einzuwenden - im Gegenteil. Aber man sollte dabei nie vergessen, "dass noch kein Jahr­hun­dert so geworden ist, wie man es an seinem Beginn erwartet hat." Keine Zeit war das so gewollte Resultat von Zukunftsentwürfen. Schon gar nicht das 20. Jahrhundert, ein Millennium grandios gescheiterter utopischer Entwürfe, die von ihren Anhängern als mehr oder weniger determinierte Zukünfte gesehen wurden.  

Dabei geht es in dem Artikel nicht darum den politischen Anspruch auf die Gestaltung der Zukunft zu delegitimieren. Es geht darum, zu erkennen, wie eine als determiniert gedachte Zukunft unser Handeln bestimmt, einschränkt.

Auch wenn die heutigen Heraus­for­de­rungen sicher nicht über Nacht verschwinden, sondern uns womög­lich über Jahr­zehnte begleiten werden, steht ihre konkrete Zukunft nicht fest. Sie jetzt schon voraus­ei­lend als deter­mi­nierte Prozesse zu denken, erkauft Hand­lungssicher­heit durch selbsterzeugte ‚Alter­na­tiv­lo­sig­keit‘. Denn ein voraus­den­kend schon bekannter Prozess gibt erst vor, was wir als gegen­wär­tigen ‚Freiraum‘ seiner Beein­flus­sung wahr­nehmen. 

Geulen sieht hier die Tendenz zu einem Lebensgefühl "For Future". Unsere Handlungsoptionen ergeben sich aus dem, was wir als objektive Prozesse wahrnehmen und schon jetzt als Zukunft anerkennen/imaginieren. Es gibt nur den einen Weg.

Dabei ist es zuneh­mend zweit­rangig, ob es um eine mit allen Mitteln abzu­weh­rende, dysto­pi­sche oder um eine erträumte Ideal­zu­kunft geht. Viel­mehr über­nehmen meist beide, in ihrem Gegen­satz, die Funk­tion, das jetzt notwen­dige Handeln zu defi­nieren, indem sie eine klare Entweder-Oder-Logik für die Prozesse nahe­legen, die sowieso im Gang sind. Eben das aber verleiht der Frage, was jetzt zu tun sei, eine zugleich bipo­lare und deter­mi­nis­ti­sche Struktur ....

Was auch heißt, dass der Kampf gegen eine Katastrophe u.U. gleichzeitig zum Kampf für die Verwirklichung von Utopien (missbraucht?) wird. Was für die rationale Auswahl der Mittel fatal sein kann. Wenn etwa der Kampf für eine strahlende, kernkraftfreie energetische Zukunft auf den Zwang trifft, schnellstmöglich CO2 zu reduzieren.

Im Artikel werden diese Zusammenhänge (für mich nicht ganz überzeugend) u.a. am Beispiel des zukünftigen elektrifizierten und digitalisierten Straßenverkehrs verdeutlicht. Dabei wird die Frage des Antriebs inzwi­schen zu einem Neben­schau­platz. Zunehmend schiebt sich das „auto­nome Fahren“ in den Vordergrund,  Komfort und Verkehrssicherheit durch die digitale Kommu­ni­ka­tion zwischen Autos.  Wobei die Fahrzeuge gleichzeitig "einem voll funk­ti­ons­fä­higen Büro oder Enter­tain­men­traum" werden. 

Mit der jetzt realis­tisch gewor­denen Umstel­lung auf Elek­tro­mo­bi­lität kehren sämt­liche Zukunfts­vi­sionen wieder, die schon in den 1950er Jahren, damals an die Atom­technik geknüpft, von einer Fort­be­we­gung träumten, die komplett auto­ma­ti­siert abläuft. 

Der Digitalisierungsprozess ist damit wohl jene Entwicklung die am meisten von unserem voraus­ei­lenden Zukunfts­denken bestimmt wird.

Und zwar so weit, dass wir die bewusste Praxis, die er eigent­lich beschreibt, immer schon als nach- und aufho­lende Annä­he­rung an etwas denken, das längst geschieht. Ob Verkehr, Wirt­schaft, Alltag, Bildung oder Verwal­tung – Digi­ta­li­sie­rung meint heute die bloße Imple­men­tie­rung einer Zukunft, die ohnehin eintritt.

Verlernen wir wirklich, die Gegen­wart ohne ihre unmit­tel­bare Verlän­ge­rung in die Zukunft zu denken und zu bewerten? Verlieren wir gar den Blick für die Offenheit der Zukünfte? Wir werden sehen ...

Wie unsere Zukunft wird – oder auch anders

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Kommentare 11
  1. Uwe Protsch
    Uwe Protsch · vor mehr als 3 Jahre

    Planen wir unsere Zukunft nicht hauptsächlich deshalb, um uns von unseren Ängsten abzulenken?

    1. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 3 Jahre

      Vielleicht nicht hauptsächlic, aber auch. Sicher bestimmen unsere Ängste unsere Zukunft mit - so oder so.

    2. Uwe Protsch
      Uwe Protsch · vor mehr als 3 Jahre

      @Thomas Wahl Ich habe den Eindruck, dass etwa die Projekte zur Speicherung bzw. (End?-)Lagerung von CO2 Ausdruck einer Flucht vor der Angst sind. Es wird so getan, als ob technische Maßnahmen uns unsere Lebensweise erhalten können. Dabei sind mit hoher Wahrscheinlichkeit dramatische Veränderungen zu erwarten. Aber wir haben Angst vor diesen Veränderungen und wollen uns deshalb einreden, es würde alles irgendwie so ähnlich wie bisher weitergehen. Selbiges gilt für das im Artikel angesprochene Problem des Autofahrens. Wir haben Angst davor, bald nicht mehr Auto fahren zu können; deshalb tun wir so, als ob Individualverkehr auch in Zukunft dank Digitalisierung und Batteriebetrieb möglich sei. Tatsächlich sollten wir uns besser mit dem Gedanken vertraut machen, dass die Tage des Individualverkehrs gezählt sind; denn es ist unrealistisch, dass wir weiterhin auf diese Weise Strom und knappe Rohstoffe verschwenden können.

    3. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 3 Jahre

      @Uwe Protsch Vielleicht ist es auch umgedreht? Wir haben zurecht Angst vor den Klimaveränderungen und gehen daher den einfachsten Weg, in dem wir schnell Freiheiten aufgeben und Möglichkeiten ausschließen. Und nicht den Mut zur Innovation haben, die allen Menschen dieser Welt ein Leben in Wohlstand ermöglichen? Aber die Entscheidung wird sicher nicht hier in D gefällt.

  2. Frank Schmidtsdorff
    Frank Schmidtsdorff · vor mehr als 3 Jahre · bearbeitet vor mehr als 3 Jahre

    Für mich geht es darum, dass wir Ziele mit Maßnahmen und Instrumenten verwechseln. Gerade weil wir keine Vorstellung davon haben, wie wir leben wollen, lassen wir uns von den Anforderungen (Zumutungen) der Gegenwart überfordern und es wird alle Kraft darein gesetzt, den Zustand der Vergangenheit wieder herzustellen. Die Debatte, die wir in den Parlamenten und auf den Straßen brauchen ist nicht die über Maßnahmen, sondern über Werte und Leitbilder, Vision und Strategie - und einen langfristigen Plan, an dem wir die Zielerreichung messen.

    1. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 3 Jahre

      Wir brauchen aber auch Rahmenbedigungen, in denen sich der Evolutionsprozess unserer Gesellschaft entfalten kann - in gewollter Richtung natürlich.

    2. Frank Schmidtsdorff
      Frank Schmidtsdorff · vor mehr als 3 Jahre

      @Thomas Wahl Viele halten die Instrumente, mit denen wir die Ziele erreichen wollen, für den Rahmen. Der Rahmen selbst muss durch Ziele bestimmt werden - zB die Zahl der Verkehrstoten, Gesundheitsziele, das Kalkül, mit dem wir Gerechtigkeit beschreiben, Umweltziele, Bildungsziele. Bildungsziel ist nicht Schulbesuch. Die Senkung der schädlichen Emissionen im Strassenverkehr ist nicht Elektromobilität.

    3. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 3 Jahre

      @Frank Schmidtsdorff Nein, Ziele sind kein Rahmen. Ziele bewirken erst mal gar nichts außer Orientierung. Und wenn man keinen Zwang zur Erreichung einsetzen will (was eh nicht gut klappt), muss man eine Eigendynamik entfalten. Der Rahmen ist dann das, was die Spielräume der Akteure bestimmt. Also etwa Steuersysteme, Kontrollsysteme, Vorschriften und Gesetze etc. Bildungs- und Forschungssysteme würde ich auch dazu zählen. Und vielleicht den Innovationsgeist, Mut und Dynamik der Bürger. Was mit einer alternden Bevölkerung sicher ein Problem ist.

  3. Theresa Bäuerlein
    Theresa Bäuerlein · vor mehr als 3 Jahre

    Hatten wir jemals die Fähigkeit, uns die Zukunft nicht als unmittelbare Verlängerung der Gegenwart vorzustellen? Sehr spannende Frage, wie und ob es anders gehen könnte. Wer von uns hat sich 2020 so vorgestellt, wie es wurde?

    1. Uwe Protsch
      Uwe Protsch · vor mehr als 3 Jahre

      Sind Utopien nicht Gegenmodelle zur Gegenwart? Radikale Denker haben immer wieder Utopien entworfen, weil sie mit der Gegenwart unzufrieden waren und diese eben nicht "verlängern" wollten.

    2. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 3 Jahre

      @Uwe Protsch Nur dass diese entworfenen Gesellschaften noch weniger funktioniert haben. Gesellschaftsentwicklung ist Evolution mit offenem Ende. Die Zukunft entwickelt sich immer aus der Vorgeschichte, oft aber kontraintuitiv. Gut gemeint ist nicht immer gut genug. Eben dadurch schwer vorhersagbar und eben nicht komplex planbar.

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