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Klima und Wandel

Wie das Klima-Verfassungsurteil den Freiheitsbegriff neu fasst

Ralph Diermann
Energiejournalist

Strom, Wärme und Mobilität – das sind meine Themen. Ich arbeite seit 2008 als freier Energiejournalist u.a. für die Süddeutsche Zeitung, Spiegel Online, die Neue Zürcher Zeitung, für Riffreporter sowie für einige Fachzeitschriften.

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Ralph DiermannMontag, 03.05.2021

Ob das Bundesverfassungsgericht anders entschieden hätte, wenn es nicht junge Menschen gewesen wären, die die Klimaklage eingereicht hatten? Auf jeden Fall begründen die Richter ihre Erklärung mit der Generationengerechtigkeit – und verknüpfen diese mit einem Freiheitsbegriff, der eine zeitliche Dimension hat: Es gilt im politischen Handeln, nicht nur die Freiheit heute zu sichern, sondern auch die von morgen und übermorgen. Und das bedeutet für den Klimaschutz, dass es nicht verfassungsgemäß ist, das noch zur Verfügung stehende CO2-Budget schon in den nächsten Jahren zu verballern – das nämlich schränkt den künftigen Handlungsspielraum der Menschen über Gebühr ein (was letztlich doch nichts anderes ist als die alte Maxime, dass die eigene Freiheit dort endet, wo die Freiheit des Anderen beginnt).

Zeit-Redakteur Bernd Ulrich weist in einem Kommentar trotzdem darauf hin, dass die Karlsruher Richter im Kern eine Revolution des Freiheitsbegriffs vollzogen haben, ihn vom 20. ins 21. Jahrhundert gehoben haben. Er schreibt:

Freiheit ist nun nicht mehr nur etwas, das man lebt und gegen den Staat geltend machen kann, Freiheit ist nun auch etwas, das man materiell und physisch verbrauchen kann. Und nicht darf.

Nicht Klimaschutz gefährde die Freiheit – zu wenig Klimaschutz sei illiberal. Ulrich sieht in der Erklärung eine Befreiung der Freiheit. Diese wurde an den Verbrauch von Natur und an das Emittieren gekettet; vermeintliche Freiheit sei mit Zwang verbunden, den Zwang zum "Immer Mehr", oft irreversibel.

Man hat Freiheit mit Gewohnheit verwechselt, Gewohnheit mit Anspruch und Anspruch mit Recht. So verkam unter der Hand die universelle Freiheit zu einer Art fossilem Feudalismus: Sonderemissionsrechte wurden de facto in Anspruch genommen, vergeben durch das Geburtsdatum, ein Zerstörungsprivileg der Älteren auf Kosten der Jüngeren.

Ulrich schließt:

Gestern war – halleluja – ein richtig guter Tag für die Freiheit.

Wer wissen will, was die Verfassungsrichter genau erklärt haben, findet im Blog der auf Energie und Klimaschutz spezialisierten Kanzlei re Rechtsanwälte eine gute Zusammenfassung.

Wie das Klima-Verfassungsurteil den Freiheitsbegriff neu fasst

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Kommentare 9
  1. Dominik Lenné
    Dominik Lenné · vor fast 3 Jahre

    Ich sehe noch eine weitere neue Stufe in dem Urteil: das Konzept des CO2-Budgets wird von einer wissenschaftlichen auf eine verbindliche normative Ebene gehoben. Das ist eine qualitative Änderung!
    Das ist nicht so selbstverständlich, wie man in der Klima-Bubble glauben könnte. Aus dem globalen Budget ergibt sich das nationale nämlich nicht automatisch - es ist letztlich Verhandlungssache. Es gibt zwar ein spontanes Gerechtigkeitsgefühl hier, aber das ist etwas anderes.

    1. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor fast 3 Jahre · bearbeitet vor fast 3 Jahre

      Und das Ergebnis dieser Verhandlungen, das konkrete Verhalten der anderen Staaten und Player wird letztendlich entscheiden, ob der beschleunigte Ausstieg Deutschlands ein Desaster für das Land wird oder ein Erfolg. Ob die Jugend hier dadurch mehr oder weniger Zukunftschancen bekommt. In einem nicht unwahrscheinlichen Szenario in dem global der Co2-Ausstoß weiter steigt, wird sich Deutschland in einer sehr warmen Welt wiederfinden, auf die es u.U. nicht vorbereitet ist.
      Für mich ist der schnelle, einseitige Ausstieg so was wie ein Fluchtinstinkt vor der Komplexität, der Zumutung der Wirklichkeit. Es geht nicht um mehr oder weniger Klimaschutz, es geht um die richtigen Zukunftsstrategien.

    2. Cornelia Gliem
      Cornelia Gliem · vor fast 3 Jahre

      @Thomas Wahl hm. Das Argument kann ich nicht ganz nachvollziehen: die deutsche Jugend könnte
      geschädigt werden durch "einseitigen Ausstieg"? wieso? klar - wenn wir die einzigen wären würde es nicht so viel global ausmachen. Aber was soll uns daran direkt schaden? und man kann doch beides: Aussteigen und sich auf verschiedene Szenarien vorbereiten? geht es in diesem "neuen" Freiheitsbegriff nicht genau darum? Diesen Spielraum größer zu gestalten?

    3. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor fast 3 Jahre · bearbeitet vor fast 3 Jahre

      @Cornelia Gliem Unsere neuen Klimavorgaben sind die härtesten aller Industrieländer. Kein anderes Land folgt uns auf dem einseitigen Weg mit Solar und Wind. Wir steigen allein gleichzeitig aus Kohle und Atomenergie aus ohne Alternativen wie Wasserkraft oder Fracking. Unsere elektrischen Verteil-Infrastrukturen sind auf einen Betrieb allein mit volatilen Energien nicht vorbereitet. Es gibt keine technisch und ökonomisch brauchbare Speichertechnologie. Die meisten der alten Häuser sind immer noch wenig gedämmt und werden fossil geheizt. Unsere Bauindustrie ist heute schon überfordert. Unsere Strompreise sind weltweit mit die teuersten und es wird nicht billiger. Das heißt auch, dass sich energieintensive Industrien weiter aus D verabschieden. Wir importieren zunehmend alles was viel Energie erfordert. Aus Ländern mit anderem, meist schlechterem Energiemix.

      In dem Sinne wären wir in diesem Tempo und mit dieser einseitigen rigorosen Variante die einzigen. Solche Entwicklungen brauchen Zeit, Versuch und Irrtum, genaues Abwägen. Dieser Sonderweg ist mit dem Vorsorgeprinzip, dass man sonst auf der grünen Seite immer hochhält, nicht zu vereinbaren. Und um uns gegen einen Temperaturanstieg zu härten, der garantiert kommen wird, da tun wir gar nichts.

      "Ein weiterer Sonderweg Deutschlands erschwert die Pionieraufgabe: der Atomausstieg. Klimaschonende Kernenergie hilft anderen Industrieländern bei der Reduzierung ihrer Emissionen. Deutschland aber hat sich zum weltweiten Erstaunen fürs Abschalten seiner Kernkraftwerke bis nächstes Jahr entschieden, aus Sicherheitsgründen. Nachbarland Polen plant unterdessen nahe der deutschen Grenze seine ersten sechs Atomkraftwerke, um Klimazielen gerecht zu werden.
      Über CO2-arme Energieressourcen anderer Industrieländer wie Wasserkraft und Erdwärme verfügt Deutschland kaum. .......
      Regierungsnahe Forschungsinstitute wie Agora Energiewende präsentieren die Pläne zum Radikalumbau der deutschen Energieversorgung. Offen bleibt, wer die Kosten der Energiewende tragen soll. Dabei dürfte gerade diese Frage hierzulande besonders interessieren ......
      Das Energiewende-Konzept erschiene verlässlicher, ließe sich annehmen, die Bundesregierung vertraue auf umfassende Beratung. Doch Zweifel sind angebracht. Forscher, welche die Energiewende kritisch bewerteten, etwa vom Max-Planck-Institut für Innovation oder von der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften Acatech, ignorierte die Bundesregierung. Selbst das Bundesverfassungsgericht stützte sich in seinem jüngsten Urteil, in dem es eine andere Organisation des Klimaschutzes einforderte, vor allem auf Experten, die dem Umweltministerium nahestehen, das eine radikale Energiewende forciert. .....
      Deutschlands Radikalität beim Umbau seiner Energieversorgung aber wirft immer drängender die Frage auf, ob man sich neben dem Klimawandel nicht auch aus ökonomischen Gründen Sorgen machen muss um das Wohl der Nachkommen. Gesundheitsversorgung, Bildung, Armutsbekämpfung oder Infrastruktur haben keine medienwirksame Fridays-for-Future-Bewegung hinter sich."
      https://www.welt.de/de...

  2. Nick Reimer
    Nick Reimer · vor fast 3 Jahre

    Die Verfassungsrichter haben kein Urteil gefällt. Das mag wie juristische Spitzfindigkeit klingen, ist aber wichtig, wenn wir in der Diskussion glaubwürdig bleiben wollen. Die Richter haben eine Erklärung abgegeben. Klingt für den Laien trivial. Ist in der Sache aber essenziell.

    1. Ralph Diermann
      Ralph Diermann · vor fast 3 Jahre

      Danke für den Hinweis, korrigiere ich. Warum ist das essenziell? Ich frage das, weil es in politischer Hinsicht doch keinen Unterschied macht. Oder siehst Du das anders?

    2. Nick Reimer
      Nick Reimer · vor fast 3 Jahre

      @Ralph Diermann Weil uns die Leugner vorhalten, "die können noch nicht mal 'Urteil' und 'Entscheidung' auseinanderhalten, wollen aber wissen, wie das Klima in 30 Jahren wird".

  3. Burkhard Geis
    Burkhard Geis · vor fast 3 Jahre

    Was ist mit der Freiheit zukünftiger Generationen, wenn es beispielsweise um die Zukunftsfähigkeit der Altersversorgung oder um die Schuldengrenze geht. Sind wir da nicht auch dabei, zukünftige Freiheit zu "verspielen"? Dazu würde ich gerne auch etwas von Herrn Ulrich und der Zeit lesen. Burkhard Geis

    1. Ralph Diermann
      Ralph Diermann · vor fast 3 Jahre

      Guter Punkt, danke. Konsequent weitergedacht hätte das Urteil ja auch für andere Politikfelder Bedeutung.

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