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Europa

Europa und seine Finanzpolitik(en) – ein Sargnagel für die Wirtschaften der Mitgliedsstaaten?

Thomas Wahl
Dr. Phil, Dipl. Ing.
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Thomas WahlDienstag, 02.06.2020

Der Beifall war groß als Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Emanuel Macron ihr 500 Mrd. Euro Wiederaufbau-Fond für die europäische Wirtschaft verkündeten. Die angeblich sparsame schwäbische Hausfrau mutierte wieder zur Ausgabenpolitikerin – mittels nicht rückzahlungspflichtiger Zuschüsse. Aber ist dies auch der richtige Weg? War es wirklich nur die Corona-Krise, die an der schwierigen Lage der europäischen Wirtschaften schuld ist? Geht die verfehlte Finanzpolitik nicht zurück auf die Zeit seit der letzten Finanzkrise?

Die Deindustrialisierung ist zügig vorangeschritten. Auch in Deutschland ist der Anteil der Industrie an der Wertschöpfung seit 2016 von 23 auf 21,5 Prozent gesunken. Die Wertschöpfung der Unternehmen ist noch immer so schwach, dass viele europäische Staaten mit der Subventionierung der vielen schwachen Unternehmen und der Aufrechterhaltung ihrer Sozialstaaten zunehmend überfordert sind. Die deutsche Wirtschaft hat sich vor allem deswegen relativ gut gehalten, weil die wirtschaftliche Depression vieler anderer Euroländer den Kurs des Euro schwächt. Das wiederum beflügelt die extrem vom Export abhängige deutsche Wirtschaft, denn etwa zwei Drittel ihrer Exporte gehen inzwischen in Länder außerhalb der Eurozone.

Es wird offensichtlich, dass man durch reine Geldpolitik nicht in der Lage ist, die Realwirtschaften zu modernisieren und dort Arbeitsplätze zu schaffen. Warum sonst entstehen die modernen Großunternehmen in den USA oder in China und nicht in Europa? 

Griechenland hängt längst am Tropf der Eurozonenpartner und hat trotz deren finanzieller Zuwendungen nicht mehr die wirtschaftliche Kraft, sich aus der Schuldenfalle herauszuarbeiten. Italien, aber auch Portugal und Spanien droht nun das gleiche Schicksal. Seit März dieses Jahres sieht sich die EZB gezwungen, mit ihrem neuen 750 Milliarden Euro Anleihekaufprogramm sowie der Aussetzung bisheriger Regeln, den in Gang gekommenen Zinsanstieg für italienische Staatsanleihen zu dämpfen.

Mit der Corona-Krise wird der schleichende wirtschaftliche Niedergang Europas unübersehbar. Selbst die Milliardenaufkäufe von Staatsanleihen durch die EZB sind augenscheinlich allein nicht mehr in der Lage, Mitgliedstaaten, deren Wirtschaften und die Währungsunion im Gleichlauf zu stabilisieren. Nun setzt man noch eine Stufe der gemeinsamen Schulden darauf, ein kräftiges "weiter so" scheint der Ausweg:

Die schleichende Vergemeinschaftung der Schulden durch immer neue Hintertüren schafft die Grundlagen dafür, dass die Politik weiterwursteln kann wie bisher. Die zugrundeliegenden wirtschaftlichen Probleme müssen so auch in Deutschland nicht adressiert werden. 

Wir stabilisieren schwache Unternehmen, senken den Wettbewerb und hindern so neue und moderne Industrien mit entsprechend innovativen Produkten und Technologien am Wachsen. Erforderlich wäre eigentlich eine langfristiger orientierte Strategie, die den "innovativsten, produktivsten und disruptivsten Geschäftsmodellen zum Durchbruch verhilft". Es wächst der Verdacht, dass es bei den aktuellen Maßnahmen lediglich darum geht, 

das Siechtum erträglicher zu gestalten und zudem die politische Verantwortung, für die Suche nach Auswegen aus der beschrittenen wirtschaftspolitischen Sackgasse, abzustreifen. Das viele Geld sorgt lediglich dafür, die heute schon bedeutenden Wohlstandsverluste möglichst wenig spürbar werden zu lassen. 

Das mag kurz und mittelfristig eine soziale und politische Stabilität vortäuschen. Die Regierungen genießen die verbreitete Zustimmung für ihr aktuelles Krisenmanagement. Aber die gemeinschaftlichen Schulden verschieben wahrscheinlich die Wohlstandsverluste nur in die Zukunft - bis "die Schuldenmaschine kollabiert". In diesem Sinne könnte der Zustand anderer Euroländer auch ein Menetekel für Deutschland sein. 

Als größte und bestaufgestellte Wirtschaft Europas sollte man vielmehr gemeinsam mit den europäischen Partnern eine Strategie entwickeln, wie die europäische Wirtschaft nach dem Durchschreiten der Corona-Krise nicht erneut in eine wirtschaftliche Depression verfällt, sondern die Fähigkeit wiedererlangt, in neue produktivitäts- und wohlstandssteigernde Innovationen zu investieren. 

Was angesichts der demographischen Lagen, der sehr unterschiedlichen Entwicklungsstände, der differenzierten sozialpolitischen Kulturen in den Mitgliedsländern ein dorniger, nicht zentral steuerbarer und schwer zu kommunizierbarer Weg sein müsste. Vielleicht wird er auch deswegen ungern beschritten.

Europa und seine Finanzpolitik(en) – ein Sargnagel für die Wirtschaften der Mitgliedsstaaten?

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Kommentare 1
  1. Andreas P.
    Andreas P. · vor fast 4 Jahre

    Guter und wichtiger piq.
    Wenn die Zuschüsse von den Empfängern zur Stützung ihrer nicht Wettbewerbsfähigen Unternehmen verwendet werden ist das Ergebnis doppelt negativ: dauerhafte nord-süd Alimentierung und keine eigene Möglichkeit jemals wettbewerbsfähig zu werden. So ein Desaster gibt es bereits in Europa, in Italien: Deutschland/Holland würde zu Norditalien und die Empfängerländer würden zu Suditalien.

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