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Literatur

Eine unheimliche Geschichte

Eine unheimliche Geschichte

Jan Kuhlbrodt
Autor und Philosoph

*1966 in Karl-Marx-Stadt
Studium in Leipzig und Frankfurt am Main
Redakteur bei EDIT und Ostraghege
freier Autor
letzte Veröffentlichungen: Kaiseralbum (Verlagshaus Berlin), Das Modell (Edition Nautilus), Die Rückkehr der Tiere (Verlagshaus Berlin)

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Jan KuhlbrodtMontag, 30.03.2020

Eine unheimliche Geschichte vom Übersetzen

Vorab: Man muss sich die Gedanken, die ich hier verbreite und die nur ein Ausschnitt dessen sind, was mich angesichts dieser Lektüre befällt, nicht machen, um die Neuen Unheimlichen Geschichten zu genießen.

Es fiel mir erst heute auf, nach vierzig Jahren Lektüre, wie sehr ich Mary Shelley Wollstonecraft und Bram Stoker von der einen und Edgar Allen Poe und H.P. Lovecraft von der anderen Seite des Atlantiks romancherinnentief verehre. Die Romanncherinne ist übrigens die tiefste Stelle im Ozean zwischen Europa und Afrika und Amerika und vermutlich ca. 7.000 Meter tief. Vielleicht hatte ich ein dummes Vorurteil im Kopf, nämlich, dass Horror und Schauerliteratur nicht im eigentlichen Sinn zur Hochliteratur gehören, so ein elitäres Gefasel irgendwelcher Lehrer und später dann leider auch Kommilitonen. Aber es ist ein Fest, wieder einmal Poe zu lesen. Unter Quarantäne-Bedingungen verstärkt sich der Eindruck dieser Literatur noch. Ich kann mich also in meiner Heimzelle zusammenkringeln und aufs trefflichste Gruseln, was mir letztlich die Kraft gibt und mein Vermögen stärkt, die außergewöhnliche Lage, die um mich herum gerade herrscht, zu überstehen. 

Ich lese also Poe und diesmal in einer Übersetzung Andreas Nohls.

Klar kann man sich an die Originale halten, auch hier begegnet einem zuweilen oberlehrerhaftes Schulterzucken und die Belehrung, dass nur Shakespeare im seinem alten Englisch der echte Shakespeare sei. Aber ich bin mir sicher, wenn man nur die Originale an sich heran lässt, dann verpasst man etwas. Shakespeares Sonette in verschiedenen Übersetzungen von Schuerke bis George zum Beispiel oder eben Poes Erzählungen von Andreas Nohl bis Arno Schmidt. Abgesehen davon reduzierte sich die zugängliche Literatur auf die zwei drei Sprachen. Auf diese eben, die man mehr schlecht als recht beherrscht. 

Natürlich dringt jedes Mal, also bei jeder Lektüre, etwas vom Wesen des Übersetzers und vom Wesen der Sprache seiner Zeit in die Übersetzungen ein. Wenn man Schmidtsche und Nohlsche Arbeiten nebeneinander legt, hat man zwei verschiedene Texte vor sich, die je eine eigene Sprache atmen, bei Arno Schmitt ist sie besonders eigen, aber ohne dass das Poe'sche Original dahinter verschwindet.

Vor einigen Jahren ist bei Matthes und Seitz in der Reihe "Die fröhliche Wissenschaft" ein Buch von Thomas Schestag erschienen, das Lesen Sprechen Schreiben (Kritzeln) heißt und drei Essays versammelt, die sich je mit literarischer Produktion befassen. Der zweite Essay im Buch ist schlichtweg der Hammer, wenn ich das mal so formulieren darf. Pausen heißt er, und beschäftigt sich mit Fragen der Übersetzung und im Konkreten mit Fragen der Übersetzung Poes ins Französische durch Baudelaire. 

Es geht also nicht um die Pause im Plural, sondern um das Pausen, also Vervielfältigen, Durchdrücken eines Textes als Tätigkeit. Nun spreche und verstehe ich kein Französisch. Schestag aber versteht es, mir die Sprache zu beschreiben, dass ich einen Moment lang das Gefühl hatte, sie verstehen zu können. Das kommt fast an das Ideal heran, das die geschätzte Kollegin Elke Erb, die vor allem aus dem Russischen übersetzt, vom Übersetzen verbreitet, nämlich dass man durch Übersetzung den Leser in die Lage versetzt, das Original zu lesen. Darüber hinaus stellt der Essay einen weithin berühmten Autor in einer Tätigkeit vor, in der ich ihn als Deutscher nicht kenne, in der ich ihm ohne Schestag wohl auch niemals begegnet wäre. Baudelaire als Übersetzer. Und auch noch Baudelaire als Übersetzer Edgar Allan Poes.

Jetzt also legt DTV die von Baudelaire 1857 unter dem Titel Nouvelles histoires extraordinaires übersetzte und herausgegebene Sammlung auf Deutsch vor.

Und scheinbar hatte auch Baudelaire schon mit den Abstufungen der Literatur zu kämpfen, denn seine nun auch in der deutschen Ausgabe enthaltenen und von Liat Himmelheber übertragenen Anmerkungen beginnen wie folgt:

Literatur der Dekadenz! – Hohle Worte, die wir immer wieder mit lautem Gähnen aus dem Mund jener geheimnislosen Sphinxen hören, die vor den heiligen Pforten der klassischen Ästhetik Wache halten. Sooft das Orakel, das keinen Widerspruch duldet, spricht, kann man sicher sein, das es einem Werk gilt, das unterhaltsamer ist als die Illias.

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