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Literatur

EIN ORT MIT WECHSELNDEN NAMEN

Quelle: privat

EIN ORT MIT WECHSELNDEN NAMEN

SABINE SCHOLL
Autorin
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SABINE SCHOLLMittwoch, 22.01.2020

Wer viel liest, entdeckt viel. Nicht nur Themen, sondern auch Autorinnen, die stets neue Darstellungsformen und Verfahrensweisen entwickeln. So im Buch des Juraprofessors Philippe Sands, der in „Rückkehr nach Lemberg“ die Anfänge der Internationalen Menschenrechte nachzeichnet und mit Familiengeschichten der Begründer sowie seiner eigenen verbindet. Knotenpunkt dieser Nachforschungen bildet eine Stadt im Osten, die je nach Besatzer und Sprachpolitik, verschiedene Namen erhielt: Lemberg, Lwiw, Lwow, Lwów.

Wenn letztens von der Sachbuchhaftigkeit des Romans von Kenah Cusanit die Rede war, so könnte im Gegensatz dazu Sands’ Werk als romanhaftes Sachbuch bezeichnet werden. Seine Arbeit begeisterte mich, während mich Cusanit vor allem belehrte. Die Vermittlung von Wissen um die Historie anhand persönlicher Schicksale und ein lebendiger Erzählstil motivieren in Sands’ Buch zum Weiterlesen, wenn auch die aufgeworfenen Geschichten verfolgter, auseinandergerissener und ermordeter jüdischer Familien durch die Nationalsozialisten grausam und schwer zu ertragen sind.

Der Eindruck des Lebendigen wird vor allem durch den Wechsel zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen Dokumenten und Nachfühlung mit allen Sinnen erreicht. Sands schildert seine Recherchereisen, die Begegnungen mit Überlebenden, deren Erinnerungen er versucht, zu beleben, um immer weitere Puzzlestücke der großen Geschichte zusammenzufügen. Manchen seiner Gesprächspartner steckt der vergangene Schrecken auch heute noch derart in den Knochen, dass sie es ablehnen darüber zu sprechen. Oder sie haben die Erinnerung daran so tief in sich zurückgeschoben und überlagert, dass tatsächlich keine Verbindung zur Gegenwart mehr möglich ist.

Auch indem Sands die jüdischen Protagonisten, die ihren Weg von der Vertreibung aus Lemberg bis an die Internationalen Gerichtshof gemacht haben, mit den Verwerfungen der deutschen Täter parallel führt, entstehen spannende Abläufe, die schließlich in der Darstellung der Nürnberger Prozesse kulminieren. So erfahren wir, dass ein Rechtsgelehrter aus Lemberg, dessen Familie von den ethnischen Säuberungen betroffen war, den Ausdruck Genozid prägte und versuchte, ihn als neu geschaffenen Begriff für den umfassenden Strafbestand in die Nürnberger Rechtsprechung einzuführen. Da die Taten der Nazis alles Menschenmögliche überstiegen hatten, konnte das bis dahin entwickelte Regelwerk an Gesetzen nicht genug greifen und erforderte Revision. Vor allem wurde befürchtet, dass viele der hauptverantwortlichen Täter mit milden Strafen davonkämen. Dieser Wettlauf zwischen der Suche nach juristischen Werkzeugen um Gerechtigkeit sicherzustellen und dem Bedürfnis rasch eine neue Epoche einzuleiten, liest sich wie ein Krimi.

Hilfe bei seinen Forschungen erfuhr Sands vom Sohn des Nazi-Gouverneurs der Region Lemberg, Niklas Frank, der als Kind noch mit seiner Familie dort stationiert war und sich nach dem Krieg stets gegen die Generation der Täterväter positioniert hatte. Die Textstellen, in denen Sands mit Frank Originalschauplätze besucht, sind besonders anrührend. So nimmt zum Beispiel Niklas im Nürnberger Gerichtssaal jenen Platz auf der Anklagebank ein, den sein Vater Hans damals während des Prozesses besetzt hatte, und versucht sich ins Vergangene einzufühlen.

Sands ist, im Sinne von Aleida Assmann, ein Erinnerungsarbeiter par excellence, weil es ihm gelingt, Geschichte lebendig zu machen und mit heutigen Gegebenheiten zu verknüpfen. 

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Kommentare 1
  1. Gudrun Büglmeier
    Gudrun Büglmeier · vor mehr als 4 Jahre

    Habe mich sehr gefreut, dass das Buch von Sands hier rezensiert wurde. Ich habe es vor zwei Jahren im englischen Original geschenkt bekommen und dann gleich verschlungen. Seitdem verschenke ich es regelmäßig. Eines der besten Sachbücher, das ich je gelesen habe.

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