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Literatur

Bücherbox – frische Bücher: Alef

Quelle: Reisebilder: Montfort, Akkon, Massada 1993

Bücherbox – frische Bücher: Alef

Anne Hahn
Autorin und Subkulturforscherin
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Anne HahnSonntag, 25.04.2021

Eine Liebe wie ihre würde nie zu Ende gehen, dachten Maja und Eitan. Maja dachte, dass Eitan sie so bedingungslos liebte, dass er alle Hindernisse, die es zu überwinden galt, um mit ihr zusammen zu sein, auch überwinden würde. Und Eitan dachte, dass seine Liebe groß genug wäre, um die Unterscheide auszugleichen.

Als das Flugzeug das Mittelmeer überquert hat und in all dem Blau eine braungelbe Küste auftaucht, singen Menschen um uns herum, welche sich bis eben aufgeregt auf Russisch unterhalten haben. "Auswanderer", flüstert mir mein Sitznachbar zu, "beim Anblick des Heiligen Landes singen sie..." Ich nicke und staune. Das Staunen wird anhalten. Drei Wochen sind wir im Land unterwegs, mein Bruder und ich. Er ist 21, ich sechs Jahre älter. Hier fühlen wir uns gleich jung und ahnungslos. Die Nähe zum Orient fasziniert uns, die Überzahl der israelischen Jugend und ihr Stolz.

Dass das Heimweh sie plagen könnte, damit hatte sie nicht im Geringsten gerechnet... Und als es eintrat, schämte sie sich für dieses kleingeistige Gefühl. Sie saß an ihrem Schreibtisch in der engen Tel Aviver Straße, in der man nicht nur sein eigenes Leben, sondern auch das sämtlicher Nachbarn mitlebte, und träumte von der Ostsee. Von diesem brackigen Meer, das im Sommer algig grün und im Winter düster grau war.

Wir besuchen Starkenberg/ Montfort, die einzige Burg des Deutschen Orden im Nahen Osten. Ich schreibe in meiner Magisterarbeit über diese Festung, die einst von Mamelucken erobert wurde. Es ist März, mild und sonnig, der alte Weg windet sich um den Berg, die Untergrabungen sind gut zu erkennen, die Zisterne steht noch, Mauerreste. Wir zeichnen, klettern herum. Drei Männer rasten in der Ruine. Geben uns Brot. Einer zeigt auf den Horizont, macht mit der Hand Wellen. Fragt mit den Fingern und seinem Grinsen, ob wir ein Paar sind. Ich zeige einen Babybauch, zwei Kinder, die rauskommen, auf uns. Ob er es verstanden hat? Wir winken uns noch lange.

Maja hatte vor ihren Eltern immer für ihr Recht, nach Israel zu ziehen, gekämpft. Sie hatte ihnen klarmachen wollen, dass sie diese Entscheidung aus tiefster Überzeugung getroffen hatte. Sie wollte den Zweifeln keine Chance geben, am wenigsten den Zweifeln, die sie selbst plagen. Denn die Wahrheit war: Maja hatte sich Israel nicht ausgesucht. Sie hatte sich Eitan ausgesucht, aber nicht seine Heimat.

Am Toten Meer plaudern wir beim Bier mit dem österreichischen Kioskbetreiber, wir sind seine ersten ostdeutschen Gäste. Auf die Feste Massada sollen wir im Morgengrauen steigen. Das sei das Schönste. Es gab etliche Superlativen in den letzten Tagen, eine Bergung aus einem Feld (wir waren in den Golan-Höhen zu einem Olivenbaum gewandert und hatten die Minen-Warnschilder übersehen) und einen Steinbeschuss unseres Mietwagens bei Jericho. Ich lege mich früh am Morgen dümpelnd ins Salzwasser, mein Bruder besteigt den Berg, der über dem Land thront, an dessen Fuß noch die Umrisse eines römischen Lager kauern. Die Sonne geht auf.

Zwei Jahre nach ihrem Umzug kam der Krieg und stellte neue Fragen ... Der Krieg gehörte jetzt dazu. Die Sirene, immer noch furchterregend, wurde vertraut. Mehrmals am Tag liefen sie aus der Wohnung, setzten sich im Hausflur so weit es ging vom Fenster weg und warteten auf das Boom. Alarm. Raus. Boom. Aufatmen. Zurück. Alarm. Raus. Boom. Aufatmen. Zurück.

Katharina Höftmann Ciobotaru hat einen Roman geschrieben, der sich unverstellt ihrer eigenen Geschichte bedient. Es ist eine Liebesgeschichte unter schwierigen Vorzeichen und ein Anfang. In Alef (erster hebräischer Buchstabe = Anfang) erzählt die 1984 in Rostock geborene Autorin über 400 Seiten lang vor allem die Vorgeschichte und Seitenstränge der Liebe von Maja und Eitan. Ihre ostdeutsche Herkunft spielt eine bis in graueste Verästelungen hinein ebenso wichtige Rolle wie die der Familie Eitans, zurück bis an den rumänischen Schwarzmeerstrand.

Alef ist der erste Roman der mit ihrer Familie in Israel lebenden Autorin, neben Krimis und Artikeln über ihre neue Heimat gibt sie seit Jahren in Interviews Auskunft zu ihrem Verhältnis. Zu Israel, zu Deutschland, zum Holocaust, zum Jüdisch-Sein. Zu ihrem jüdischen Mann. Es sind die ganz großen Fragen, die sie ausführlich in Alef stellt. Dazu holt sie weit aus, mit der Geburt Majas beginnt der Roman und schildert drastisch, wie Astrid ein Kind gebiert, während ihre Schwester mit einem Lkw die Mauer durchbrechen will. Es sind deftige Szenen, die sich durchziehen, es wird gesoffen, geschossen, geliebt und gehasst. Bis Maja und Eitan groß und alt genug sind, sich in Indien zu begegnen und nicht mehr voneinander lassen können. Höftmann Ciobotarus Stil ist knapp, geradlinig, ihre Geschichte bei aller Ausführlichkeit fokussiert und niemals kitschig.

Ich mochte die starken Frauenfiguren, besonders die wartende Bella und die trauernde Jaffa (beides wegen ihrer Brüder) aus dem israelischen Zweig, Eitans Großmutter und Mutter. Die trinkende, abenteuerlustige Astrid und ihre mehr und mehr abstumpfende Schwester waren für mich schwerer zu ertragen, ich sah sie bald mit Eitans Augen (der mir als Einziger ein Quäntchen zu perfekt ausgemalt wirkt). Ich bewundere den Mut der Autorin, dieses Leben gewählt zu haben, sich den Fragen zu stellen, die ihre Figuren umtreibt. Es ist Stoff für mehrere Bücher, vielleicht sogar für eine Serie – kann eine Liebe zwischen einer Ostdeutschen und einem Israeli gutgehen? Ich war nie wieder in Israel, aber diese eine Reise vor knapp 30 Jahren lässt mich nicht los. Alef spülte das Staunen wieder auf in mir. 

Katarina Höftmann Ciobotarus Alef erschien zu Beginn des Jahres im neuen Ecco-Verlag, welcher ausschließlich Bücher von Frauen verlegt und in allen Bereichen mit Frauen zusammenarbeitet. Eine spannende Idee, ich wünsche dem Verlag viel Erfolg!

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