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Fundstücke

Brutale Gewalt an Oury Jalloh, Hans-Jürgen Rose und Mario Bichtemann im Polizeirevier in Dessau

Charly Kowalczyk
Journalist

Ich bin in Singen am Hohentwiel geboren und lebe in Potsdam. Schreibe Radiofeature für den Deutschlandfunk und für die Sender der ARD. Bin Mitgründer des Bremer Hörkinos. Seit nun fast 19 Jahren stellen wir in Bremen ein Radiofeature der Öffentlichkeit vor.
www.bremer-hoerkino.de

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Charly KowalczykMittwoch, 01.07.2020

Der Asylbewerber Oury Jalloh aus Sierra Leone verbrennt am 7. Januar 2005 in einer Polizeizelle in Dessau. Seit nunmehr 15 Jahren kann die Justiz den Fall nicht aufklären und vor allem: will es nicht aufklären. Die Journalistin Margot Overath recherchiert seit über einem Jahrzehnt unermüdlich, weil sie wissen will, wie Oury Jalloh in der Polizeiwache zu Tode gekommen ist. Eigentlich macht die Autorin das, was die Ermittlerinnen und Ermittler, die Staatsanwaltschaften hätten machen sollen. Overath geht allen möglichen Spuren nach. Sucht nach Indizien. Erklärungen. Sie kann auch deswegen nicht loslassen, weil die Fakten ihr nahe legen, dass der von Polizisten behauptete Suizid von Oury Jalloh in der Polizeiwache nicht stimmen kann.

„Nach meinen Recherchen wurde Oury Jalloh schwer misshandelt. Er verlor das Bewusstsein, es wurde kein Arzt geholt, was unbedingt nötig gewesen wäre, und nachdem vermutet wurde, dass er nicht wieder aufwacht, wurde sein Suizid inszeniert. (...) Ich bin keine Juristin, aber ich habe einigen Leuten diese Frage gestellt. Ein Staatsanwalt sagte mir, bei einem solchen Ablauf sei es ganz klar Mord. Auch die Nebenklage-Anwältin geht von Mord aus.(...) Eine wichtige Zeugin ist die Polizistin, die damals die Feuerwehr rief. Vermutlich weiß sie alles, aber sie hat im Prozess die Aussage verweigert. Von ihr ist also nichts mehr zu erfahren."

Zwei Radiofeatures hatte die Autorin schon über den "Fall Oury Jalloh" geschrieben, einen der größten ungeklärten Justizskandale in der Bundesrepublik Deutschland. Nun legt die Journalistin nach, vielleicht ein letztes Mal. „Oury Jalloh und die Toten des Polizeireviers Dessau – Chronik eines deutschen Skandals“ heißt das Rundfunkfeature von WDR/MDR/NDR. Eine bedrückende Dokumentation. Sie spricht in unzähligen Interviews mit Kriminologen, Forensikern, Brandsachverständigen ... immer neue Erkenntnisse lassen es ihr unwahrscheinlich erscheinen, dass Oury Jalloh sich selbst getötet hat. Weder Polizei, Justiz noch Politik in Sachsen-Anhalt wollen den Fall aufklären. Warum eigentlich? Offensichtlich sollte nicht sein, was nicht sein darf.

Margot Overath geht in ihrem dritten Feature noch ein Stück weiter. In den Jahren vor dem mutmaßlichen Mord an Oury Jalloh starben in derselben Polizeiwache Hans-Jürgen Rose und Mario Bichtemann. Auch diese Männer wurden wie Oury Jalloh in der Polizeiwache gequält, brutal geschlagen - auch diese Taten wurden nie aufgeklärt.

"Ich habe mich auch mit zwei Todesfällen in und um diese Wache von 1997 und 2002 beschäftigt. Beide Ermittlungsverfahren wurden damals eingestellt. Der Oberstaatsanwalt hielt es 2017 für möglich, dass Oury Jallohs Tod auch deshalb als Suizid dargestellt wurde, damit die Fälle nicht noch einmal untersucht werden. Ein Informant berichtet, wie Polizisten ihre Machtgelüste an hilflosen Schutzbefohlenen auslebten. Das war nicht nur in der Wache bekannt, ihr Verhalten wurde auch von Vorgesetzten gedeckt und ging zurück auf Traditionen aus Zeiten der Volkspolizei, die Angst machen sollten."

Die Justiz in Sachsen-Anhalt will den Fall abschließen. Schluss. Ende. Aus. Selbst wenn niemand ernsthaft daran zweifelt, dass die Polizisten von Dessau sich vor ihren Aussagen vor Gericht abgesprochen haben. Sich in Widersprüche verwickelten. Gelogen haben. Auch wenn mittlerweile 15 Jahre seit dem Tod von Oury Jalloh vergangen sind, für die Glaubwürdigkeit des Rechtsstaates wäre es heilsam, wenn das Bundesverfassungsgericht oder der "Europäische Gerichtshof für Menschenrechte" doch noch juristische Aufklärung verlangt. Immerhin steht der Mordvorwurf im Raum ... und Mord verjährt nicht.

Es lohnt sich zuzuhören. Sich dafür eine Stunde Zeit zu nehmen. Ein irritierender und verstörender Beitrag zum Thema Polizeigewalt und Rechtsstaat. 

Brutale Gewalt an Oury Jalloh, Hans-Jürgen Rose und Mario Bichtemann im Polizeirevier in Dessau

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Kommentare 5
  1. Charly Kowalczyk
    Charly Kowalczyk · vor mehr als 3 Jahre

    Oh, den Zündfunk-Piqd hab ich nicht gesehen. Aber tja, stimmt schon, schadet nicht, zwei Mal zu empfehlen. Es ist ja nicht nur bedrückend, dass die Justiz die Arbeit verweigert, sondern es ist gut, dass hier der Journalismus die Aufgabe erfüllt, nämlich auch dort hinzuschauen, wo stattliche Organe versagen.

  2. Maximilian Rosch
    Maximilian Rosch · vor mehr als 3 Jahre

    Irritierend und verstörend trifft es gut. Ich hatte den Beitrag schon nach dem piq vom Zündfunk (https://www.piqd.de/me...) gehört, aber wirklich gut, dass Du ihn auch hier in Reportagen nochmal empfiehlst. Der Beitrag fällt definitiv in die Kategorie, die mehrfach gepiqd werden kann.

  3. Nutzer gelöscht
    Nutzer gelöscht · vor mehr als 3 Jahre

    Sehr hörenswert! Weil diese Angelegenheiten nicht geklärt werden, ist mein Vertrauen in die Polizei eingeschränkt.

    1. Maximilian Rosch
      Maximilian Rosch · vor mehr als 3 Jahre

      Ich glaube zu verstehen, was du meinst, aber so klingt es recht pauschal. Wegen der Vorfälle in Dessau ist dein Vertrauen in jeden Polizeibeamten in Deutschland eingeschränkt?

    2. Nutzer gelöscht
      Nutzer gelöscht · vor mehr als 3 Jahre

      @Maximilian Rosch Einfach deshalb eingeschränkt, weil solche Vorkommnisse - die gibt es hie und da ja in Formen mit minderschwerem Ausgang immer wieder - nicht mit der in meinen Augen notwendigen Aufmerksamkeit und Intensität - und das auch öffentlich nachvollziehbar - geklärt werden. Intransparenz macht misstrauisch. Fehler zugeben macht glaubwürdig.
      LG

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